You Are In My Wave.
Lothringer 13 Halle, Lothringerstr. 13, München.
Dienstag bis Sonntag 12.00 bis 20.00 Uhr.
Bis 28. Mai 2017.
Natürlich kennt man die Kombinationen von Musik und Bild und sie besitzen im Film eine geradezu selbstverständliche Funktion. Die Frage, die sich in der Ausstellung „You are in my wave” erhebt, zielt nicht darauf ab, formale Regulative zusammenzufassen oder zu formulieren, sondern vielmehr in Richtung Überlagerung, Schichtung, Inklusion, Interaktion. Der Charakter des Diskontinuierlichen prägt ein paradoxes Thema: er ist zugleich Instrument und Gegenstand von „You are in my wave“. Das ist bis in die einzelnen Arbeiten hinein formuliert. Jesper Justs Video „Sirens of Chrome“ von 2010 zeigt vier Frauen, die in einem Auto durch Detroit fahren. Sie befinden sich in einer Blase der Agonie, als würden sie die aus ihrem utopischen Entwurf entrissene Stadt spiegeln. Das Fahrzeug bewegt sich mit einer fast quälenden Langsamkeit zu einer minimalistischen Klaviermusik. Es folgt auf unscheinbare Weise einem roten Auto in jenes Parkhaus, das einst das Michigan-Theatre gewesen war; das Klavier ist verstummt. Auf dem Parkdeck kommen sie zum Stehen. Aus dem ersten Wagen steigt eine Frau, nähert sich dem anderen Auto und rollt sich darüber. Die entstehenden Geräusche verschmelzen mit dem Sound eines schleppenden Schlagzeugs und Gitarrenklängen von Trentemøller. Im Wagen macht sich erst unbehagliche Angst breit, dann eine Art Neugierde, schließlich Erwartung. Die Frauen steigen aus, die Fahrerin zuletzt und gehen auf das alte, verfallene Theaterportal zu. Die Bereiche zwischen Bild und Musik bleiben sich fremd, zerren eine Behauptung zu Tage, die eine Ähnlichkeit des ungelenken Verhältnisses der Frauen zu ihrer Situation, ihrer Umgebung aufnimmt – eine historisch, soziale, kulturelle Wirklichkeit.
Vielleicht ist es das, was sich in diesen Diskontinuitäten herstellen lässt: dass sich der Referenzrahmen der Kunst ausweitet und einer gescheiterten Utopie eine neue Möglichkeit anbietet. Die wirklich grandiosen Videos von Johanna Billing „Lost Without Your Rhythm“ und vor allem „Magical World“ zielen genau da hin, wo das Aufgeben von Berührungsängsten gegenüber dem Alltäglichen ein Bild und einen Klang des sozial Anderen aus einer bewusst nicht notwendig steuerbaren Situation in wunschhafte Nähe bringt. Auch David Hartts Schwarzweiß-Video „The Republic“ aus dem Jahr 2014 produziert Bilder von Städten, deren imaginäre Aufladung von einer verlorenen Idee erzählen. Dabei behalten sie sich vor, Vorlage für Weiteres zu sein, begleitet von einem Soundtrack von Sam Prekop, konstruiert aus Sinuswellen. Und so entwickelt der Einschub von Filmsequenzen, in denen ein ohnehin zerstörtes Auto von den Füssen auf den Kopf gewendet wird und wieder zurück, ein fast mythisches Narrativ der immer weiter schreitenden Zeit und der ewigen Präsenz des Gegenwärtigen – Sisyphos.
Die Ausstellung bewegt sich durch und mit einer Ansammlung weiterer Arbeiten durch ein diversifiziertes Spektrum dieser Zusammenführung von Bild und Musik. Alexander Laner und Anne Pfeifer befinden sich an den gegenüberliegenden Enden des Spektrums, bei ihm immer die Transparenz des grob Gemachten präsent, bei ihr eine geheimnisvolle Eleganz monolithischer, rhythmischer Kästen, eine erratische Distanz von Klang und Bild. Fotografien von Sam Prekop und die Zeichnungen von Devendra Banhart legen das Thema auf einem untergründigeren Weg an. Der Ansatz ist der, dass sie auch Bilder produzieren, dass das Bild Teil ihres Arbeitens ist – sie sind beide auch Musiker. Das Bild verliert hier seine spezialisierte Isolation, spielt hinüber auf jenes Gebiet, in dem sich professionalisierte Abschließungen auflösen, die Sinne nicht in einer Zuspitzung der Grenzen ihre Legitimation erhalten, sondern Interaktion und Komplexität miteinschließen.
Dass das Symbolische den CYou Are In My Wave.Lothringer 13 Halle, Lothringerstr. 13, München.Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 12.00 bis 20.00 Uhr.Bis 28. Mai 2017.harakter des Diskontinuierlichen trägt, darauf hat Julia Kristeva hingewiesen, und zwar im Gegensatz zur Erkenntnis, die durch das Kontinuierliche gekennzeichnet sei. Der Bereich des Symbolischen findet seine Funktion als Zeichen darin, aus einer sozialen Übereinkunft zustande gekommen zu sein. Schließt man von hier aus nicht auf eine vereinheitlichende und notwendig gesetzte Sinnkonstruktion, vielmehr auf ein offenes Feld, so gerät man in „You are in my wave” in eine ganz wunderbare Ausstellung.