Swiss Pop Art: Das Übergangsphänomen

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11. Mai 2017
Text: Simon Baur

Swiss Pop Art.
Aargauer Kunsthaus, Aargauerplatz, Aarau.
Dienstag bis Sonntrag 10.00 bis 17.00 Uhr, Donnerstag 10.00 bis 20.00 Uhr.
Bis 6. August 2017.
www.aargauerkunsthaus.ch
Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen:Scheidegger & Spiess, Zürich 2017, 80 S., 68 Euro | 69 Franken.

Das manche Mühlen im wasserreichsten Land der Welt besonders langsam mahlen, ist hinreichend bekannt. Dennoch erstaunt es, dass erst 50 Jahre nach ihrem ersten Auftreten der Pop Art schweizerischer Ausprägung eine erste, umfassende Überblicksausstellung gewidmet wird. Das Aargauer Kunsthaus, das über wichtige Bestände aus dieser Epoche in der eigenen Sammlung verfügt, hat sich dieser Herkulesaufgabe angenommen und präsentiert auf zwei Stockwerken und in rund 20 Räumen einen Querschnitt, der überrascht und doch auch einige Zweifel weckt.

Ausgehend von Grossbritannien und den USA hat sich die Pop Art in den 1960er-Jahren weltweit durchgesetzt und war auch für zahlreiche Schweizer Künstlerinnen und Künstler von Bedeutung. Es bestand die Chance neuen Bildinhalten aus der Welt des Konsums und Kommerz mit neuen Bildmitteln und -techniken zu begegnen, sich an die internationalen Vorbilder anzulehnen und doch eine eigene national gefärbte Bildsprache zu entwickeln. Und dennoch ist für viele Schweizer Künstler die Beschäftigung mit der Pop Art nur ein kurzes Übergangsphänomen. Einige Kunstschaffende gerieten nach ihrer Pop-Phase in Vergessenheit, andere erlangten später Bekanntheit, meist aber mit Arbeiten, in denen sie die Pop Art bereits wieder hinter sich gelassen hatten und trotzdem war diese für viele wegweisend und stiess in zahlreiche Lebensbereiche vor. So sind in der Ausstellung unter den 270 Arbeiten, nicht nur Bilder und Objekte, sondern auch Plakate, Installationen, sowie Objekte aus dem Design- und Modebereich zu sehen.

Eine besondere Eigenart der Schweizer Pop Art ist der Rückgriff auf folkloristisch gefärbte Motive oder Anleihen an lokale Formen der Volkskunst. So sind von Samuel Buri nicht nur „Chalet psychédelique“ und „Alpenhorn“ zu sehen, wo er mit Siebdruckverfahren und Kunstharzspray alpine Architekturformen zeigt, sondern auch sein Bildobjekt „Alltägliche Struktur“: Alphornbläser und Kuh auf der vergrösserten Form eines Schachtelkäses der Firma „Gerber“. Zu nennen wäre auch Barbara Davatz, eine der wenigen Künstlerinnen, die bis heute der Pop Art treu geblieben sind und die in ihrer handkolorierten Fotoserie „Souvenirs aus Appenzell“ ländliche Postkartenmotive in Warholscher Manier zeigt. Doch neben diesen verklärenden Motiven interessieren auch die fortschreitende Urbanisierung, die Zersiedelung und die Erschliessung der überbauten Natur, wie beispielsweise in den Arbeiten von Max Matter, beispielsweise in der Arbeit „Hungerberg“, einem Haufendorf zwischen Waldrand und Autobahn.

Es ist erfreulich, dass mit dieser Ausstellung ein längst fälliges Thema aufgearbeitet und dokumentiert wird. Doch bleiben einige Wünsche unerfüllt. So mag die Präsentation im Erdgeschoss durch eine grosszügige Hängung zwar überzeugen, im Untergeschoss sind die Räume jedoch überfüllt. So leuchtet nicht ein, dass Markus Raetz im Untergeschoss einen zusätzlichen Raum erhält und von den progressiv wirkenden Modeentwürfen von Monika Raetz nicht mehr zu sehen ist.

Auch wenn in dieser Ausstellung  zahlreiche unbekannte Namen auftauchen, so sind sie teils nur im Katalog und nicht in der Ausstellung vertreten, stellvertretend seien Marcel Stüssi oder Michael Grossert genannt, dessen Figuren für Spielplätze auch zur Pop Art gehören, während Carl Bucher mit seinen objektartigen „Landing“-Bildern zu dominant vertreten ist. Auch die Künstlertexte im Katalog fallen teilweise etwas mager aus, das gestalterische Konzept der Grafik versperrt der Wissenschaft ihre Entfaltungsmöglichkeit. Dennoch ist mit Ausstellung und Katalog ein Meilenstein gelungen.