Ken Aïcha Sy: Survival Kit. Monochromie der Négritude oder die Einführung in den Modernismus.
ifa-Galerie, Charlottenplatz 17, Stuttgart.
Dienstag bis Sonntag 12.00 bis 18.00 Uhr.
1. November 2025 bis 8. Februar 2026.
www.ifa.de/ausstellungen
Wenn die Hinterlassenschaften der Eltern auf einen zukommen, geht es oft ums Überleben. Um das der Dinge, die irgendwie aus der Zeit gefallen sind, und um das eigene. Was braucht man von den vielen Fotos, Erzählungen und Gegenständen für die eigene Identität? Für Ken Aïcha Sy (*1988) hat sich die Frage mit einer besonderen Dringlichkeit gestellt, da ihre Eltern El Hadji Sy und Anne Jean Bart eng mit einer bestimmten Periode der senegalesischen Kultur und der kollektiven Erinnerung der Jahre nach der Unabhängigkeit verbunden sind. Ihre Mutter, die 2019 starb, hat die Jahre zwischen 1960 und 1990 als Journalistin begleitet und kommentiert. Ihr Vater, mittlerweile 71 Jahre alt, war als Künstler und Aktivist Teil dieser Szene. Ken Aïcha Sy, die in Paris Design und Kunstgeschichte studiert hat und 2011 in den Senegal zurückkehrte, hat vom Nachlass ihrer Mutter ausgehend sich dieses kulturellen Erbes angenommen. Vielleicht, weil sie nicht mit ihrem Vater aufwuchs, sicher weil das Werk ihres Vaters und anderer Kunstschaffenden im Senegal nur wenig präsent ist.
„Survial Kit“ ist eine Methode, ein Archiv, das sich den Bedürfnissen seiner Benutzerinnen und Benutzer öffnet und sich nach diesen formt und nicht zuletzt ein zweiteiliges Ausstellungsprojekt. „Survial Kit – Between Us and History: The Hidden Archive“ begann nach einer fünf Jahre dauernden Recherche in London, Venedig und Deutschland in der Berliner ifa-Galerie und wird nun in der Stuttgarter ifa-Galerie im Herbst durch das Kapitel des Modernismus um Amadou Ba, Mor Faye oder Younousse Sèye erweitert.
Der natürliche Feind des „Survival Kits“ ist das Depot. Dass viele von El Hadji Sys Arbeiten in Depots aufbewahrt werden, hat einen biografischen Grund. Der Künstler lebte und arbeitete einige Jahre in Deutschland. Er stellte auf der documenta 14 aus, Museen wie das heutige Weltkulturen Museum Frankfurt und das Iwalewa Haus, das Afrika-Zentrum der Universität Bayreuth kauften Werke auf, ebenso Privatsammler. Ein anderer Grund ist, dass sich El Hadji Sys Malerei von der von Präsident Léopold Sédar Senghor propagierten Kunst abhob. Seine Tochter hat in Deutschland die eher bürokratischen Zugänge eines solchen Depots kennengelernt, entsprechend wenig Original-Bilder waren in Berlin zu sehen. Diese Leerstellen sind sprechend für eine senegalesische Kultur, die nicht auf staatliche Sammlungen bauen kann, die diese Lücken schließen würden. Umso unbefriedigender empfindet Ken Aïcha Sy die Unzugänglichkeit der Depots im Ausland. In einem Interview mit der taz anlässlich der vom Kunstmuseum Basel aus durch Europa tourenden Ausstellung „When We See Us“ sagte sie: „Länder mit kolonialer Vergangenheit müssen Zugang zu ihrer Geschichte haben. Orte, die mit der Geschichte verbinden, sind von großer Bedeutung, nicht nur für die Erinnerungsarbeit, sondern auch um aus den dargestellten Ereignissen zu lernen, um einen Sinn für Ästhetik und kritisches Denken zu entwickeln.“
Das Werk ihres Vaters mag im Senegal nur wenig präsent sein, Ken Aïcha Sy war es in Dakar in den letzten Jahren umso mehr. 2012 initiierte sie den Blog Wakh’art. Der Name, der sich mit „Über Kunst sprechen“ übersetzen lässt, ist programmatisch, Ken Aïcha Sy verbindet Szenen. Sie hat ein Musiklabel gegründet, arbeitet als Autorin, Kuratorin, Netzwerkerin und macht Pressearbeit. Das Online-Magazin Slateafrique hatte sie kurz nach ihrer Rückkehr „Revolutionärin der senegalesischen Kultur“ genannt.





