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Marta Riniker-Radich

 Author: Dietrich Roeschmann  Published Date: Mai 26, 2025
Marta Riniker-Radich, Untitled, 2021, Courtesy the artist

Marta Riniker-Radich

Porträt
26. Mai 2025
Text: Ilja Zaharov

Marta Riniker-Radich: Grounds.

For, Teichgässlein 31, 4058 Basel.
Samstag 11.00 bis 17.00 Uhr. Während der Art Basel vom 16. bis 21. Juni 2025 täglich 14.00 bis 17.00 Uhr.
Zur Ausstellung erscheint ein Magazin: Release & Cocktails am 18. Juni 2025, 19.00 bis 22.00 Uhr.
Bis 21. Juni 2025.
www.for-space.ch

Eine weitere Arbeit von Marta Riniker-Radich wird zudem vom 15. bis 21. Juni 2025 beim Basel Social Club zu sehen sein.
Basel Social Club, Rittergasse 25, Basel.
Täglich 14.00 bis 0.00 Uhr.

www.baselsocialclub.com

Marta Rinker-Radich, Grounds, 2025, Courtesy the artist and For, Basel, Foto: Gina Folly
Marta Riniker-Radich, And Now the Inevitable Is Staring Them in Their Wobbly Faces and Leaving Footprints in Their Home, 2020, Courtesy the artist and Francesca Pia, Zurich
Marta Riniker-Radich, Salami Tactics, 2025, Video Still, Courtesy the artist
Marta Riniker-Radich, The Perfect Storm, 2020, Courtesy the artist and Pozi Driv Two, London
Marta Riniker, Physical Assets Are Always the Last Resort, 2022, Courtesy the artist and Kirchgasse Gallery, Steckborn, Foto: Cedric Mussano

Zwar ist Marta Riniker-Radich (*1982) vor allem für ihre Zeichnungen bekannt, doch in „Grounds“ im Basler Kunstraum For übernimmt ihre Videoarbeit „Salami Tactics“ eine zentrale Rolle. Auf einem Monitor, zwischen den Porträts platziert, flackern Textvignetten über der stillen Aufnahme einer knallroten Toilettenkabine – untermalt von Geräuschen, die aus der Ferne zu kommen scheinen, sich annähern und das Gefühl verstärken, in einem geschlossenen Raum zu sitzen und dem Außen ausgeliefert zu sein. Ein Ort der Intimität, der plötzlich zum Resonanzraum gesellschaftlicher Symptome wird. Die eingeblendeten Fragmente entstammen Riniker-Radichs kontinuierlicher Textpraxis und beleuchten die Ausstellung unter dem Licht spezifischer Absurditäten des neoliberalen Alltags. Da ist die spontane Gründung einer Arbeiter*innenvertretung während einer riesigen Entlassungsaktion. Was wie ein hoffnungsvoller Moment der Solidarität aufblitzt, verflüchtigt sich im Handumdrehen wieder, sobald deren Mitglieder wieder Anstellung gefunden haben. Ein anderes Fragment schildert, wie Projektmanager*innen die öffentliche Verwaltung „effizienter“ machen sollen. Die Ungleichheiten in der Bezahlung verschiedener Tätigkeiten werden nicht etwa ausgeglichen, sondern in Aufgabeneinheiten zergliedert, die sich per Gehaltskatalog bewerten lassen. In dem Video zeichnet sich das Bild eines Systems ab, das sich über die Menschen stellt, die es eigentlich tragen und denen es dienen sollte. Was für ein Menschentypus wächst unter solchen Bedingungen heran? Und wie beschaffen ist der Grund und Boden dieser Gesellschaft? Eher löchrig. Wahrscheinlich porös. Ganz sicher: instabil.

Während der Eröffnung von „Grounds“ passierte es mir fast unbemerkt: Im Gespräch über die Belangen der Schau ließ ich den Begriff „neoliberale Strukturen“ fallen. Ist das nicht eher ein Notbehelf als eine aussagende Beschreibung dieser unsichtbaren Kräfte, die unser Leben vereinnahmt haben? Und doch scheint kaum ein anderer Begriff geeignet, um diese widersprüchliche Ordnung zu fassen, in der wir uns bewegen: Große Unternehmen setzen sich an die Spitze, während sich der Staat zunehmend aus der Verantwortung gegenüber seinen Bürger*innen zurückzieht – und nur dort eingreift, wo es nötig wird, um das Spiel aufrechtzuerhalten. In dieser Komplizenschaft zwischen Wirtschaft und Staat entsteht ein Klima, das sich tief in die Körper der Marktteilnehmer*innen einschreibt – ein Misstrauen, das längst über Institutionen hinausreicht. Es sickert in unsere Gesten, unsere Blicke, unsere Formen des Miteinanders. Wurde der permanente wirtschaftliche Konkurrenzkampf nicht wie ein Keil in das soziale Gefüge getrieben? Ein System, das Individualität zum höchsten Gut erklärt und aus den privaten Akteur*innen eine Grundeinheit definiert. Entfaltet sich darin nicht seine Gewalt? Wer frei sein will, muss sich selbst optimieren, abgrenzen, durchsetzen. Und wer scheitert, war nicht stark, nicht individuell genug.

Vielleicht greift eine solche Beschreibung zu kurz. Zum Glück geht Riniker-Radich den längeren Weg – einen, der den Ambivalenzen nicht die Tür weist. Wenn sie etwa ihre aus einer Recherche zur kalifornischen Stromkrise der 2000er-Jahre hervorgegangenen handschriftlichen Notizen in einer Vitrine präsentiert – dicht an dicht, überlappend, nur fragmentarisch lesbar –, dann geht es nicht um die Ordnung der Information, sondern um die Zähheit der Materie und ihre Unzugänglichkeit. Schließlich sind es nicht nur gesichtslose Strukturen, die Riniker-Radich interessieren, sondern die konkreten Biografien, die sich in ihnen verheddern: Figuren, die zu Träger*innen systemischer Widersprüche werden. Für die Ausstellung über die kalifornische Stromkrise folgt sie in einer begleitenden Kurzprosa einer solchen realen Gestalt: George Backus. Die Geschichte bleibt jedoch nicht dokumentarisch, sondern verwebt Fakten mit erzählerischer Spekulation. Die Anhörungen im US-Senat, denen Backus ausgesetzt ist, konzentrieren sich auf seine frühere Beratungstätigkeit und verdrehen seine Expertenanalyse zu Beweisen für Fehlverhalten, anstatt die grundlegenden Mängel im Marktdesign anzugehen, die von der staatlichen Gesetzgebung geschaffen wurden. So überzeugend ist die Erzählung, dass man instinktiv online nach dem Foto des Sündenbocks fahndet. Doch das literarische Porträt bleibt fiktiv. Dass Riniker-Radich für solche amerikanischen Verwerfungen eine besondere Sensibilität entwickelt hat, dürfte nicht zuletzt mit ihrer transnationalen Biografie zusammenhängen: eine Kindheit auf einer US-Militärbasis in Panama, Schuljahre im Tessin, später Stationen in Berlin, Genf, Texas, London und Rom.

Vielleicht haben die Figuren in „Grounds“ – fünf Porträts, sorgfältig in Farbstift gezeichnet – ähnliche Erfahrungen gemacht wie George Backus. Jedenfalls steht ihnen eine Haltung des Misstrauens ins Gesicht geschrieben. Und diese Blicke! Kein Funken Offenheit, keine Einladung. Stattdessen: Seitenblicke, misstrauisch, abweisend, gelegentlich von Ekel durchzogen. Die Figuren schweben in der weißen Leere des Papiers wie in Isolation, nur bis zu den Schultern sichtbar, und selbst die scheinen sich abzuwenden. Es ist, als würden sie uns distanziert mustern und entschieden unbeeindruckt bleiben. Diese Wesen wollen nichts von uns und lassen uns das spüren. Wie blicken wir zurück – spiegeln wir ihre verzogenen Visagen? Wenn Vereinzelung und Misstrauen Alltag sind, wie entkommen wir der Kluft der Entfremdung? Riniker-Radichs Kunst verschreibt keine Heilmittel und gibt keine finalen Diagnosen, sondern schafft einen Raum des Nachdenkens und der Begegnung mit unserer eigenen Zerrissenheit. Vielleicht ist es schon ein Anfang, dass wir ihrem Blick standhalten, ohne gleich wegzusehen.

Tagged Ilja Zaharov, Basel, Marta Riniker-Radich, For Space, Basel Social Club

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