Isa Mona Lisa. Jenseits der Langeweile

Wolfgang Tillmans, Isa Mona Lisa, 1999, Courtesy Galerie Buchholz, © Wolfgang Tillmans
Review > Hamburg > Hamburger Kunsthalle
17. April 2025
Text: Falk Schreiber

Isa Mona Lisa.

Hamburger Kunsthalle, Glockengießerwall 5, Hamburg.
Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr, Donnerstag 10.00 bis 21.00 Uhr.
Bis 18. Oktober 2026.

www.hamburger-kunsthalle.de

Thu Van Tran, Pénétrable, 2024, Courtesy the artist and Galerie Rüdiger Schöttle, © VG Bild-Kunst, Bonn 2024, Foto: Christoph Irrgang
Asana Fujikawa, Eine Frau, ihr Freund und ein kleiner Gott, 2002, © VG Bild-Kunst, Bonn 2024, Foto: Fred Dott
Alexandra Bircken, Demolition Ball / Cassius Clay, 2011, und Jannis Kounellis, ohne Titel (l.), beide: © VG Bild-Kunst, Bonn 2024, Foto: Fred Dott
Melanie Manchot, Alpine Diskomiks (Detail), 2019, Hamburger Kunsthalle, Dauerleihgabe der Stiftung Hamburger Kunstsammlungen, © VG Bild-Kunst, Bonn 2024

[— artline Nord] Es gibt kaum etwas Langweiligeres als Sammlungspräsentationen. Außer man geht das Thema so an, wie es Brigitte Kölle mit der Zeitgenössischen Sammlung der Hamburger Kunsthalle macht, die sie im Sockelgeschoss des Hauses neu präsentiert: nonchalant, unkonventionell, ironisch. Schon alleine der Titel! „Isa Mona Lisa“ ist der Name eines so ikonischen wie verrätselten Fotoporträts, das Wolfgang Tillmans 1999 von Künstlerkollegin Isa Genzken anfertigte. Indem diese großformatige Fotografie den Einstieg in die Präsentation gibt, ist von vornherein klar, was Kölle hier plant: Es geht darum, alte Bekannte wiederzusehen, die einen freundlich umarmen, ohne dabei auch ihre letzten Geheimnisse zu offenbaren. Wie Genzken, bei der nicht so richtig klar ist, ob ihr Blick in Richtung Betrachter nun eigentlich skeptisch wirkt, offenherzig oder abweisend. Weswegen man bis auf weiteres eine nicht unsympathische Sprödigkeit annimmt.

Von diesem Blick aus ist ziemlich viel möglich, und Kölle nutzt das weidlich aus. Und zwar, indem sie erst einmal das macht, was man erwartet: Der Vorraum ist ausschließlich weiteren Tillmans-Fotografien gewidmet, einer Handvoll riesiger Bilder, die die Entwicklung dieses Fotokünstlers nachzeichnen, von frühen, dokumentarisch anmutenden Aufnahmen aus der Rave- und Clubszene über seinen Weg in die Abstraktion bis hin zur experimentellen Fotografie ohne Fotoapparat der vergangenen Jahre. Schön. Schöne Ausstellungskonvention. Und dass darauf ein ausschließlich mit Genzkens Arbeit bestückter Raum folgt, ist dann fast schon over the top in seiner Erwartbarkeit. Aber eben auch stimmig, mit Genzkens Skulpturen im Grenzbereich zwischen Architektur und Fetisch, zwischen Abstraktion und Witz.

Tillmans und Genzken mögen aus sich selbst heraus begründbar sein, die Präsentation ist hier zwingend – überraschend ist sie nicht, will sie auch gar nicht sein. Aber wenn man sich weiter hineingräbt in „Isa Mona Lisa“, dann gibt es auch Dinge zu entdecken: selten gezeigte Stücke wie Melanie Manchots Klanginstallation „Alpine Diskomiks“ (2019), eine Kakofonie von unzähligen Plattentellern, Musik, deren einzige Gemeinsamkeit darin besteht, dass die dazugehörigen Plattencover Berglandschaften zeigen. Oder Asana Fujikawas zwischen Skulptur, queerer Narration und Zeichnung angesiedelte Installation „Eine Frau, ihr Freund und ein kleiner Gott“ (2002), deren Betrachtung alleine schon eine ganze Ausstellung hergeben würde. Überhaupt ist recht viel von dem, was hier gezeigt wird, mehrfach codiert, funktioniert auf unterschiedlichen Ebenen und lohnt eine längere Beschäftigung – in Thorsten Brinkmanns „Salon Livresque“ (2014) kann man sich stundenlang aufhalten und hat doch nur einen Bruchteil erfasst.

Selbst die Konvention hat in dieser Ausstellung einen doppelten Boden. Gerhard Richters Familiengemälde etwa hat man nicht nur an diesem Ort schon häufig gesehen – würden sie alleine gezeigt, würde man das als Konzession Kölles an den Mainstream interpretieren. Aber mitten im Richter-Raum steht Andreas Slominskis fiese „Vogelfalle“ (2001) und leitet über in einen weiteren Raum mit Slominskis Fallen-Skulpturen. Alles, was hier zu sehen ist, ist ironisch unterfüttert, aber es ist eine Ironie, die im Kunstwerk selbst angelegt ist, die das Gezeigte nicht denunziert.

Eine Ausnahme stellt dabei der Raum mit Gemälden Neo Rauchs dar. Klar, den wichtigsten zeitgenösisschen Maler im Kunsthallen-Bestand kann eine Sammlungspräsentation nicht unterschlagen, hier scheint Kölle aber keine echte Idee zu haben, was sie mit ihm anfangen soll. Und das, obwohl Rauchs Stil zwischen altmeisterlicher Strenge und sozialistischem Realismus selbst schon als tendenziell ironisch gelabelt ist – diesmal aber dringt diese Ironie nicht durch, Bilder wie „Die Fuge“ (2007) bilden einen Fremdkörper in einer Ausstellung, bei der ansonsten alles wie von selbst zusammenpasst.