Sandra Eades: Arbeiten aus 30 Jahren.
Kunststiftung Baden-Württemberg, Gerokstr. 37, Stuttgart.
Mittwoch bis Freitag 14.00 bis 17.00 Uhr, Samstag 11.00 bis 14.00 Uhr.
Bis 22. März 2025.
Der Blick durch die Fenster aus dem Atelier von Sandra Eades in der Freiburger Luisenstraße fällt auf Laub, das in leuchtenden Farben zu Boden segelt. In der Fassade gegenüber spiegelt sich die Sonne und wirft zarte Lichtbahnen auf die Fotografien, welche auf dem Tisch ausgebreitet liegen. Sie dokumentieren sieben Arbeiten aus drei Jahrzehnten. Ein sehr persönlicher, denkbar reduzierter Querschnitt ihres umfangreichen Lebenswerks, für das die 75-Jährige kürzlich mit dem mit 10.000 Euro dotierten Maria-Ensle-Preis der Kunststiftung Baden-Württemberg in Stuttgart ausgezeichnet wurde. „Als ich davon erfuhr, habe ich mich sehr gefreut“, sagt sie. Man müsse sich das mal vorstellen. Lebenswerk. Das klingt so rund. So abgeschlossen. Dabei verdanke sich ein Lebenswerk ja nur selten einem klaren Plan, viel öfter einer ständigen Bewegung zwischen Ablenkung und Konzentration, Bruch und Kontinuität. „Man kämpft sich durch und immer weiter, es gibt Höhen und Tiefen, vieles ist unvorhersehbar, und doch fügen sich die Dinge. Es ist schön, wenn diese Entwicklung in all ihren Facetten gesehen wird“. Der Maria-Ensle-Preis soll erfahrenen Kunstschaffenden ein Innehalten erlauben und sie dazu motivieren, weiterzuarbeiten. „Das habe ich vor“, lacht Eades. Und es klingt so, als freue sie sich schon auf die nächste Herausforderung.
Derzeit sind ihre Bilder in Stuttgart zu sehen, in den Räumen der Kunststiftung Baden-Württemberg, bis Ende März, wenn die ersten Blätter sprießen. Das fügt sich gut für Sandra Eades. Denn tatsächlich haben ihre Arbeiten viel mit Vergänglichkeit zu tun und mit den Zyklen der Lebens. 1949 im englischen Chelmsford geboren, begann sie Mitte der 1960er Jahre ein Kunststudium in Colchester, machte ihren Abschluss an der Londoner St. Martin’s School of Art, wo sie auch ihren späteren Mann Reinhard Klessinger kennengelernt hatte, und zog 1971 dann mit ihm und mit einem DAAD-Stipendium in der Tasche nach Düsseldorf, um sich an der Kunstakademie in der Klasse von Ruprecht Geiger einzuschreiben. 1979 ließen sich die beiden schließlich in Ihringen nieder.
Lange Zeit verstand sich Eades vor allem als Malerin und arbeitete mit einem reduzierten Vokabular an „Urformen“, das sie aus ihren Zeichnungen entwickelte. Als sie 1991 die Einladung zu einer Skulpturenausstellung im Kurpark von Bad Krozingen erhielt, legte sie einige dieser Formen um ein Vielfaches vergrößert und aus Stahlblech geschnitten auf einer Rasenfläche aus. „Ich wollte erkunden, ob es möglich ist, mit der Natur zu malen“, sagt Eades.
Dafür nutzte sie auch die Fotografie und dokumentierte Woche für Woche mit der Kamera die wechselnden Zustände der 25-Meter-Installation – ein ganzes Jahr lang. Als Eades die Abzüge sichtete, merkte sie, dass sich in ihrem Werk plötzlich eine ungeahnte Tür öffnete. Die Farben und Formen, mit denen sie arbeitete, sortierten sich neu, Landschaft rückte ins Bild, Fotografie und Malerei fanden zusammen. So entstanden die ersten Kompositionen, deren klare Ordnungen und Rhythmen Eades Werk bis heute ebenso prägen wie die atmosphärische Intensität an den Schnittkarten der zusammengefügten Elemente. Es ist dieses betörende Flirren zwischen monochromen Farbfeldern, scheinbar beiläufigen, subjektiven Aufnahmen einer unmittelbaren Umgebung und kürzelhaften Zeichen auf weißem Grund, das den Blick für das Sehen selbst schärft, für die Welt im Augenwinkel, für Zustände des Übergangs. Nicht ohne Grund nennt Eades diese Arbeiten „photo/paintings“ – der Schrägstrich steht dabei sowohl für die Trennung als auch für die Verbindung der Perspektiven und der unterschiedlichen Formen von Wahrnehmung.
Auf dem Regal in ihrem Freiburger Atelier steht ein Foto, das viel über den Zusammenhang von Kunst und Leben erzählt, den ihre Bilder atmen. Es zeigt die Künstlerin im Garten ihres zweiten Ateliers in Lothringen, er steht in voller Blüte, ganz in Weiß. „Hier finde ich Ruhe und Inspiration“, sagt Sandra Eades. Zugleich ist ihr „White Garden“ mit seiner vergänglichen Blüten- und Beerenpracht das zentrale Motiv einer fortlaufenden Serie, die sie 2012 begann und aus der sie nun auch in Stuttgart eine aktuelle Arbeit zeigt. Dieser Garten werde sie noch lange beschäftigen, sagt sie: „Jedes Jahr ist ein neues Jahr und jedes Jahr wächst etwas anderes gut“. Darauf freut sie sich – als leidenschaftliche Gärtnerin und als Künstlerin.