Ugo Rondinone, Cry me a river: Überwiegend heiter

Ugo Rondinone
Ugo Rondinone, becoming soil, 2016, Foto: Stefan Altenburger, Courtesy the artist, Galerie Eva Presenhuber, Mennour, Esther Schipper, Gladstone Gallery, Kukje Gallery und Sadie Coles HQ
Review > Luzern > Kunstmuseum Luzern
10. Oktober 2024
Text: Annette Hoffmann

Ugo Rondinone: Cry me a river.
Kunstmuseum Luzern, Europaplatz 1, Luzern.
Dienstag bis Sonntag 11.00 bis 18.00 Uhr, Mittwoch 11.00 bis 19.00 Uhr.
Bis 20. Oktober 2024.
www.kunstmuseumluzern.ch

Ugo Rondinone
Ugo Rondinone, the cosmos, 2013, Foto: Andrea Rossetti, Courtesy the artist, Galerie Eva Presenhuber, Mennour, Esther Schipper, Gladstone Gallery, Kukje Gallery und Sadie Coles HQ
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Ugo Rondinone, thank you silence, 2005, Foto: Stefan Altenburger, Courtesy the artist, Galerie Eva Presenhuber, Mennour, Esther Schipper, Gladstone Gallery, Kukje Gallery und Sadie Coles HQ
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Ugo Rondinone, glorious light, 2023, Foto: David Regen, Courtesy the artist, Galerie Eva Presenhuber, Mennour, Esther Schipper, Gladstone Gallery, Kukje Gallery und Sadie Coles HQ
Ugo Rondinone, sechstermaizweitausendundvierundzwanzig, 2024, Foto: Stefan Altenburger, Courtesy the artist, Galerie Eva Presenhuber, Mennour, Esther Schipper, Gladstone Gallery, Kukje Gallery und Sadie Coles HQ

An diesem Sommertag ist das Wetter in Luzern stabiler als vorhergesagt. Und so entfaltet die Stadt ihren ganz eigenen Charme. Der See, die ländlich wirkende Architektur der Innerschweiz: all das ist so pittoresk und zugleich ist das Erhabene mit den Voralpen zwar nicht zum Greifen nach, aber doch erreichbar. Auch wenn der Alpentourismus heute längst nicht mehr so abenteuerlich ist wie im 19. Jahrhundert als die Engländer den Kitzel der Bergwelt entdeckten. Udo Rondinone (*1964) kennt das alles und auch die Mystifizierung durch die Kunst, insbesondere durch die Malerei, die die Sicht auf die Natur erst geprägt und dann reproduziert hat. Er ist in Brunnen am Vierwaldstättersee im Kanton Schwyz aufgewachsen. Seit mehr als zwanzig Jahren lebt der Künstler in New York. Selbst der Titel seiner gut aufgelegten Überblicksschau „Cry me a river“ hat ja noch einen Bezug zur Landschaft: ein Fluss, aus Tränen erschaffen. Da steckt Gefühl drin, das Kreatürliche, ein Gegenüber und auch das Maßstäbliche des Bildhauers. Der Titel, es ist die Zeile eines Ella Fitzgerald-Songs, empfängt die Besucherinnen und Besucher bereits als Leuchtschrift an der Fassade des Kunstmuseum Luzern. Sie ist zu einem von Rondinones ikonischen Regenbogen geformt.

In Luzern erweist sich Ugo Rondinone als ein heiterer Illusionist und Wettermacher. In einem der Räume sind eine Reihe parallel verlaufender Stahlketten am Boden und an der Decke gespannt, so dass sie jeweils eine Diagonale ergeben. Das sieht nach einem ziemlichen Wolkenbruch aus, der sich aus einer diffusen Zeichnung an der Decke als Tropfen in Form von Kettengliedern auf den Boden ergießt. An der Wand setzt sich die verhangene Atmosphäre fort, sie scheint nass vor Wasser zu sein. Neben „Rain“ schafft Rondinone noch weitere Räume mit je eigenem Klima. Die Installation „thank you silence“ aus dem Jahr 2005 besteht aus weißen Papierschnitzeln, die aus einem Lüftungsschacht in der Decke nach unten schweben. Aus einer Wandnische qualmt es ein bisschen, hier ist ein Räucherstäbchen platziert. In einem kleineren Durchgangsraum hängen Kinderzeichnungen mit lauter Sonnen, die der Schweizer Künstler seit 2013 an den unterschiedlichsten Schulen initiiert hat. Die dazugehörigen Namenslis­ten spiegeln eine Schweiz wider, die durch Einwanderung geprägt ist. Rondinone ist selbst Secondo. Einzig der erste Raum der Ausstellung stört die Stille. Wie materialisierte Blitze stehen die kahlen, intensiv gelben Äste eines Baumes im Ausstellungssaal. Im Neongelb scheint sich etwas von der Energie der Entladung erhalten zu haben. An der Wand lehnt eine lebensgroße Figur, die sich als Alter Egos des Künstlers verstehen lässt. Sie wirkt nachdenklich.

Ugo Rondinone schafft in Luzern Atmosphären, man fühlt sich oft als ob man durch Raum gewordene Stimmungen läuft. Herabhängende Fische versetzen einen in eine Unterwasserwelt, in anderen Räumen sind Vögel und Pferde aus Bronze aufgestellt, an einer Wand sieht man den Abdruck einer Hand wie zum Beweis, dass hier alles Handarbeit ist. „Cry me a river“ gleicht einer Folge von Bühnenräumen mit jeweils eigenen Atmosphären. Anders als vor zehn Jahren in der Ausstellung „Die Nacht aus Blei“ im Aargauer Kunsthaus gibt es in Luzern weniger narrative Ansätze und es fehlt der dunkle Unterton: keine verrammelten Türen, keine dämonischen Clowns, die auf dem Boden liegen. Es gibt in diesen Räumen in Luzern bei aller Theatralik keinen geschürten Konflikt, kein Drama. Mit Ausnahme der Audioinstallation „1997“, durch die man durch einen glamourösen Lamettavorhang gelangt. Sie erzählt von existenzieller Einsamkeit, von Lebensmüdigkeit und einer Isolation, die zum Tod führen kann. Die Männerstimme berichtet von dem Wenigen, das in das Motelzimmer des Ich-Erzählers dringt. Der Sprecher spiegelt sich in einer Psychologin, über deren einjährigen Aufenthalt in einem unterirdischen Raum er in einem Artikel gelesen hat. Er selbst hat gerade eine schwierige Beziehung hinter sich und ist von seinem Partner getrennt. Die Menschen, so sagt er, treiben an seinem Fenster vorbei wie das Wetter.