Tim Eitel: Vorschläge für Nachbilder 2015-2024.
Kunsthalle Rostock,
Hamburger Str. 40, Rostock.
Bis 8. September 2024.
[—artline Nord] Es ist nicht viel los auf den Leinwänden von Tim Eitel. Oft im Großformat komponiert, tauchen darin vereinzelt Menschen in einer Idee von Landschaft oder Raum auf. Ein Mann liegt etwa auf dem Boden und verschmilzt mit der Dunkelheit oder eine Frau im Trench blickt auf eine karamellfarbene Museumswand ohne Bilder. Trotz der Leere wirkt Eitels Figurenpersonal gut aufgehoben in den bühnenartigen Kulissen, denn sie verströmen eine angenehme Ruhe. Diese Kunst des Weglassens führt in einer Welt der Überreizung zu kontemplativen Momenten.
Schon die Entstehung jedes Bildes dauert Wochen, wenn nicht Monate. Und die meiste Zeit verbringt der 1971 bei Stuttgart geborene Eitel damit, die Bilder eingehend zu betrachten und dabei zu entwickeln. Das Bildersehen und Konzipieren erlernte er als Meisterschüler des DDR-Realisten Arno Rink an der Leipziger Akademie. Zugleich führte schon damals sein Faible für die Abstrakten wie Piet Mondrian zu einer neuen Synthese und zur für ihn typisch konzeptuellen Bildsprache – an den Schnittkanten von Form und Leere, Licht und Schatten, Natur und Stadt. So beginnt der Maler einen Dialog und inszeniert ein spannungsvolles Spiel der Gegensätze. Das macht den Reiz und die Kraft von Tim Eitels Bildern aus.
In der Kunsthalle Rostock wird mit über 50 Werken der letzten Jahre die Entwicklung seiner Themen nachgezeichnet. Unter dem etwas rätselhaften Titel „Vorschläge für Nachbilder 2015-2024“ begegnen wir Tim Eitel als Chronisten unserer modernen Welt. Denn auch an ihm ist die Pandemie nicht spurlos vorbeigegangen. Der in Paris lebende Künstler war von der üblichen Routine abgeschnitten, das Geschehen der Großstadt mit der Kamera einzufangen. Denn Ausgangspunkt jeder Malerei bilden Fotografien von Passanten und Zufällen jeder Art. Auf sich zurückgeworfen erlauben die Malereien dieser Schaffensphase eine neue Nähe und Zwischenmenschlichkeit. Waren es vorher meist Rückenansichten von Gestalten, sehen wir nun Gesichter, verwuschelte Haare und sich umarmende Menschen. Auch Träumende beobachten wir bei ihrer Introspektion.
Wie aus einem zeitlosen Traum wirkt auch das Bild „Reflector“ von 2015. Eine Frau und ein Mann mit Anzug und Krawatte tauchen in einem Wald auf. Beleuchtet von einem müden Mond, der wie eine Laterne vor blätterlosen Ästen hängt. Eingerahmt wird dieses surreale Motiv von schwarzen Balken und verzerrt durch eine vertikale Schnittkante. Wir schauen hier wie in einen Guckkasten auf eine gesampelte Szenerie, die bei dem Betrachter die Bilder zum Laufen bringt. Tim Eitel bietet uns trotz aller Leere die perfekten Projektionsflächen.