Landpartie IV: Biennale Bregaglia, Klöntal Triennale, Mondi construiti, Castasegna

Biennale Bregaglia
Georg Gatsas, Alberi, 2024, Courtesy the artist, Ausstellungsansicht 3. Biennale Bregaglia, Bondo, Foto: Michel Gilgen
Spezial
8. August 2024
Text: Redaktion

Biennale Bregaglia Bondo.
Bis 28. September 2024.
www.biennale-bregaglia.ch

Klöntal Biennale, Legler Areal, Diesbach.
1. bis 29. September 2024.
kloentaltriennale.ch

Mondi Construiti.
Sala Viaggiatori, Castasegna.
Bis 25. August 2024.
www.sala-viaggiatori.ch

Biennale Bregaglia

Nach dem Bergsturz von Bondo war nichts mehr so wie zuvor. In Erinnnerung an das Ereignis, das 2017 eine Schneise der Verwüstung durch das idyllische 200-Seelen-Dorf im Bergell schlug, ist hier in diesem Sommer die 3. Biennale Bregaglia zu Gast. Kalkweiße Geröllmassen säumen das Flussbett der Mera, über die frisch betonierte Brücken führen. Dutzende von Baggern sind heute noch damit beschäftigt, die Unmengen an Felsmaterial im Tal zu verräumen, die damals vom Gipfel des Piz Cengalo abbrachen. Dazwischen erkunden derzeit zehn Kunstschaffende mit ihren Arbeiten den Ort. Der Zürcher Fotokünstler Georg Gatsas etwa zeigt in einem Heuspeicher Porträts von Bäumen in der Dämmerung, auf Stoffbahnen gedruckt, die sich leise im Zugwind bewegen – entrückt wie die Tanzenden, die Gatsas vor geraumer Zeit für seinen Bildband „Signal The Future“ in Londoner Clubs fotografierte. Athene Galiciadis zieht in einem Pavillon aus Holz und mit bunten Zickzack-Mustern bemalter Folie Tomaten, Petersilie und Basilikum und nutzt dafür überlieferte Techniken wie das Abdecken der Erde mit Schafwolle, um sie feucht zu halten. Auch Lea Schaffner beschäftigt sich mit dem Gärtnern als Akt der Kommunikation und des Erinnerns. In ihrer berührenden Videoarbeit „Besuchen gehen“ interviewt sie die weit über 80-jährige Elvira Salis, die beim Bergsturz ihr Haus verlor und bis heute den übrig gebliebenen Garten pflegt. Am Dorfausgang mit Blick auf die Westalpen hat Jonathan Steiger eine Mauer aus Steinen geschichtet, die ungenutzt auf den Grundstücken herumlagen und die er sich von den Besitzer:innen für seine Arbeit auslieh. Von Ziegeln über Bruchsteine in allen Größen bis zum Türsturzfragment, datiert von 1750, versammelt Steiger hier ein temporäres Materialarchiv, das auf poetische Weise vorführt, wie der Berg eigentlich immer in Bewegung ist – sei es durch seismische Kräfte oder durch vieler Hände Arbeit. Diese Biennale macht Bondo zum perfekten Ausflugsziel für den Kunstsommer.

Klöntal Triennale, Diesbach

Als hätten die Kuratorinnen Séverine Fromaigeat und Sabine Rusterholz Petko den eher feuchten Sommer vorausgeahnt, wird die Klöntal Triennale 2024 drinnen abgehalten, und das auch erst im September. Die Location ist das Legler Areal, die ehemalige Weberei und Spinnerei in Diesbach im Kanton Glarus. Seit 2002 steht die Fabrikhalle leer und ist so auch ein Symbol für den Niedergang der Glarner Textilindustrie. Das war einmal anders: 1868 gab es hier 22 Stoffdruckereien, 18 Spinnereien und 17 Webereien. Es war ein Industriezweig der vielen Arbeit bot, Glarner Tücher wurde weltweit vertrieben. Die am Ausstellungs- und Performanceprogramm beteiligten Künstlerinnen und Künstler befassen sich mit Transformationen aller Art. Zu ihnen gehören Chloé Delarue, Julie Monot, Laure Prouvost, Romy Rüegger und Raul Walch. Wer im September vom Sommer und den vielen Draußen-Aktivitäten geschafft ist, kann sich auf der Homepage durch Essays über Veränderung, Kolonialismus, Globalisierung und Digitalisierung lesen, die einen eigenen Denkraum schaffen.     

Mondi construiti, Castasegna

Es soll Menschen geben, die selbst von einer Wanderung nicht mit leeren Taschen zurückkommen. Ein Schneckenhaus, ein besonderer Stein, eine Kastanie. Wer nun an der Haltestelle Sala Viaggiatori seine Hände in den Taschen vergräbt, darf sich in bester Gesellschaft fühlen. Denn nicht nur wird in der von Bruno Giacometti entworfenen Postautohaltestelle derzeit eine Postkartensammlung gezeigt, auch die Ausstellung „Mondi construiti“ befasst sich mit dem Horten. Kein Wunder, steht es doch am Anfang unserer Kulturgeschichte. Mit Kunst- und Kuriositätensammlungen hat der Mensch schon immer versucht, sich einen Reim auf die Welt zu machen.

Patrick Fuchs, Samuel Herzog und Isabelle Krieg haben nicht den Anspruch, alles zu erklären, eher geht es ihnen um die Verbindung zwischen Kunst und Alltag sowie um die Bedeutung des Sammelns für die Identität. Und manchmal, das zeigt Isabelle Krieg mit ihrer Arbeit „Unerledigt“, die aus ge­brauchten Kaffeetassen mit Porträts berühmter Menschen besteht, ist Sammeln auch nur einer Ausrede, nicht aufzuräumen.