Olaf Holzapfel, der Mantel: Vom Raster zum Raum

Olaf Holzapfel
Olaf Holzapfel, Linde Tilleul, 2024, Ausstelllungsansicht Museum Haus Konstruktiv, Courtesy the artist, Knust Kunz Gallery, München & Xippas, Genève, Foto: Stefan Altenburger
Review > Zürich > Museum Haus Konstruktiv
25. Juli 2024
Text: Annette Hoffmann

Olaf Holzapfel: Der Mantel.
Museum Haus Konstruktiv, Selnaustr. 25, Zürich.
Dienstag, Donnerstag bis Sonntag 11.00 bis 17.00 Uhr, Mittwoch 11.00 bis 20.00 Uhr.
Bis 8. September 2024.
www.hauskonstruktiv.ch
Parallel blickt die Ausstellung „Stories written“ auf den Zurich Art Prize von 2007 bis 2023 zurück.
Bis 8. September 2024.

Olaf Holzapfel
Olaf Holzapfel, Lilie, 2024, Ausstelllungsansicht Museum Haus Konstruktiv, Courtesy the artist, Knust Kunz Gallery, München & Xippas, Genève, Foto: Stefan Altenburger
Olaf Holzapfel
Olaf Holzapfel, Der Mantel, alle 2024, Ausstelllungsansicht Museum Haus Konstruktiv, Courtesy the artist, Knust Kunz Gallery, München & Xippas, Genève, Foto: Stefan Altenburger
Olaf Holzapfel
Olaf Holzapfel, Alphabet, 2024, Ausstelllungsansicht Museum Haus Konstruktiv, Courtesy the artist, Knust Kunz Gallery, München & Xippas, Genève, Foto: Stefan Altenburger

Wenn Licht riechen würde, nach was würde es denn schmecken? Wie Heu, das einen langen Sommertag gespeichert hat? Olaf Holzapfels „Lichtbilder“ haben keinen Eigengeruch, obwohl die meisten Besucherinnen und Besucher seiner Zürcher Ausstellung schwören würden, sie hätten die Intensität des Augusts in der Nase und womöglich könnten sie sich auch an das Flirren über den abgeernteten Feldern erinnern, das eine Lichterscheinung, zugleich aber auch ein hoher Ton ist. Ländliches ist in Ausstellungshäusern nostalgisch aufgeladen so als ob wir an etwas Verlorenes denken und als ob die Dörfer sich immer gleichblieben. Vielleicht ist überhaupt die Crux an der Moderne, dass sie so linear denkt. Für Olaf Holzapfel (*1967), der in diesem Jahr mit dem Zurich Art Prize ausgezeichnet wurde, ist vieles offener: Land und Stadt sind nicht voneinander getrennt, ebenso wenig offene und geschlossene Formen und auch die Zeit ist nicht durch den Fortschrittsglauben geprägt.

In der Ausstellung „Der Mantel“, die anlässlich des Preises im Museum Haus Konstruktiv zu sehen ist, wird der Raum im Erdgeschoss durch ein am Boden liegendes Holzfachwerk dominiert. „Alphabet“, wie die Skulptur heißt, besteht aus den Buchstaben Riegel, Schwelle, Andreaskreuz, Fuß- und Kopfband. Dass sie sich auch zu etwas anderem eignen würde als für diese Balkenkonstruktion, liegt nicht zuletzt an den Verbindungen, die ohne Nägel auskommen und dadurch variabel sind. Genau genommen beruht diese Bauweise auf Modulen, die man eher der Moderne als dem Mittelalter zugeschrieben hätte und sie ist ausgesprochen nachhaltig. Holzapfel, der Architektur studierte bevor er sich an der Hochschule für Bildende Kunst in Dresden der Malerei zuwandte, ist auch als Künstler an Räumen interessiert. Es sind Räume, in denen ein Austausch von Wissen und handwerklichen Techniken stattfinden, Städte, in denen nach traditioneller Weise mit Holz gebaut wird oder Tennen, in denen Gräser zu langen Schnüren gedreht werden, die dann wiederum zu Heubilder geflochten werden, die in einem städtischen Ausstellungshaus gezeigt werden. Aus dem Material entsteht eine Technik, aus der wiederum ein Arbeitsprozess wird, so Olaf Holzapfel. Und manchmal ergeben sich dabei auch imaginäre Räume, die nur im Werk ihre Entsprechung haben. Für die Skulptur „Temporäres Haus“ arbeitete der in Berlin und Brandenburg lebende Künstler 2010 erstmals mit Frauen der Wichi zusammen, einer indigenen Gemeinschaft in Argentinien. Die Frauen machen aus den innenliegenden Blättern einer Bromelienart, die sie mit Pflanzen einfärben, mittels einer Nadelbindetechnik kultische Objekte, Gebrauchsgegenstände und Bilder für Olaf Holzapfel. Sie setzen die von Holzapfel oftmals am Computer erstellten Zeichnungen um und verbinden sie mit der Logik ihrer eigenen Muster. Es entsteht ein Zwischenraum, der sowohl Holzapfels Kunst als auch ihre Art, Textilien herzustellen, verändert. Die Stoffe der Wichi bauen auf Rastern auf wie sie Holzapfel auch als das Grundmuster vieler Städte erkannt hat. Letztlich sind es diese Grids, auf denen ein Großteil der Werke Holzapfels bestehen und die eine Verbindung zur konstruktiven Kunst herstellen. In Zürich jedoch liegt der Schwerpunkt auf Materialien, die sich auch in der Schweiz finden wie Holz, Gras und Stroh. Unter den „Mantel“ kann man schlüpfen und für einen kurzen Moment etwas von der schützenden Struktur dieser Architektur erfahren. Bei den „Strohbildern“ entstehen durch farbige Halme aus der Fläche heraus merkwürdig verdrehte und gestauchte Räume, die wie am Computer entworfen wirken. Während in diesen „Strohbildern“ die Räumlichkeit auf einer perspektivischen Verzerrung und Illusion beruht, schafft das Material der „Lichtbilder“ tatsächliche Lücken und Leerstellen. Die Strohschnüre, die in kollektiven Aktionen in einer Länge von mehreren Metern gedreht werden, sind so spröde, dass sie sich nur mit Kraft in die Bildform bringen lassen, wodurch zwischen den Strängen Freiräume entstehen. Diejenigen jedoch, die am Drehen der Schnüre beteiligt waren, werden sich an den besonderen Geruch erinnern und wie sich die Gräser angefühlt haben.