Cao Fei: Meta-mentary.
Lenbachhaus Kunstbau, Luisenstr. 33, München.
Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr, Donnerstag 10.00 bis 20.00 Uhr.
Bis 8. September 2024.
www.lenbachhaus.de
„Ich beschäftige mich mit der digitalen, virtuellen Welt, aber ich sorge mich auch um die realen Gefühle der Menschen“, sagt die chinesische Künstlerin Cao Fei (*1978). In ihrer aktuellen Ausstellung „Meta-mentary“ im unterirdischen Kunstbau des Lenbachhaus München zeigt sie, was sie damit meint. Traumhaftes soziales Metaversum trifft auf analoge Beispiele von Lebensformen, die für uns Menschen und unser Well-being eine große Rolle spielen. Beides hat seine Daseinsberechtigung, das eine kommt ohne das andere nicht aus.
Cao Fei lebt und arbeitet in Beijing. State-of-the-Art-Architekturen findet sich hier ebenso wie hohe triste Wohntürme. Cao Fei schafft zu dieser Realität Parallelwelten im Metaversum: digitale städtebauliche Utopien treffen auf einfache Bedürfnisse nach einem freien, naturnahen Leben. Von sich selbst hat Cao Fei einen zwitterhaften Avatar kreiert, der sich durch ihre virtuellen Welten bewegt.
„Oz 02“ aus dem Jahr 2022, als großformatiger Print in der Ausstellung zu sehen, ist Cao Feis zweiter Avatar. Mit ihm hält sie sich in DUOTOPIA auf, ihrer ersten architektonischen Konstruktion im Metaversum. Seinen Unterleib bilden sechs dunkelviolette Tentakel, von denen vier durch maschinelle Bauteile wie Prothesen zusammengesetzt sind. Oz’ menschlicher Oberkörper ist von einem grauen Oberteil bedeckt, aus dem sich einzelne kleine Tentakel schlängeln. Das Gesicht ist von filigranen Linien symmetrisch durchzogen. An seinem Hinterkopf befinden sich metallische Platten. „Oz“ begegnet dem Besucher als hybrides Geschöpf, das die Grenzen zwischen organischer und technischer Form auflöst. Es ist ein androgynes Wesen, in dem sich, durch seine nicht-menschlichen Merkmale und maschinellen Ergänzungen, unsere technisierte und digitalisierte Welt widerspiegelt. Anders als die Avatare, die wir als Nutzer aus den Social-Media-Plattformen kennen, ähnelt „Oz“ nicht dem Aussehen der Künstlerin. „Oz“ ist ein Kunstwerk.
Ein Hauptwerk von Cao Fei ist in der Sektion „My City is yours“ zu sehen. Das ist das RMB City Projekt, das in den Jahren 2007 bis 2012 entstand. Es besteht aus mehreren farbigen Video-Arbeiten mit Ton. RMB City ist eine fiktive chinesische Stadt, die Cao Fei in der Online-Welt Second Life gegründet hat. 2009 öffentlich zugänglich gemacht und bis 2011 aktiv, zog diese virtuelle Stadt eine breite Gemeinschaft im Second Life an, auch durch verschiedene Kunstprojekte und Events, die dort stattfanden. Zu den Nutzern der virtuellen Gebäude zählten unter anderen das renommierte UCCA Museum – Center for Contemporary Art in Beijing. Cao Fei nutzte für ihre Videoarbeiten die Archivalien der verschiedenen Projekte von RMB City. Ihre Neuaufstellung des Materials ist nun in München zu sehen. In „A Second Life City Planning“ zeigt sie die Entstehung und Entwicklung der Stadt. Sie fügt sich collageartig vor allem aus Versatzstücken von Architektur und Sehenswürdigkeiten Beijings zusammen. Dazu zählen die Inkunabeln moderner Architektur wie die CCTV Headquarters und das Television Cultural Center, beide von OMA, oder das Nationalstadion, das Herzog & de Meuron für die Olympischen Spiele 2008 geplant haben. Drei weitere Filme zeigen Projekte, die im Second Life mit Bezug zur RMB City stattgefunden haben.
Doch wird das Digital Life unsere eigentliche Zukunft sein? Wohl kaum, auch nicht bei Cao Fei. Denn da gibt es auch die Installation „A Holiday“ von 2022. Im Zentrum steht das fast 90-minütige HD-Video, das in eine lässige Camping-Situation eingebettet ist. Der Film wurde 2022 in Beijing aufgenommen, als sich die Menschen während der Covid-Pandemie nach alternativen Freizeitaktivitäten umsehen mussten. Aufgrund der Null-Covid-Politik in China waren für unbestimmte Zeit Zusammenkünfte untersagt, Restaurants geschlossen und Reisen unmöglich. Der Aufenthalt in Parks stets beliebt, wurde noch beliebter. Die Naherholungsgebiete boten den Städtern die Möglichkeit für Austausch, Sport und Bewegung im Freiraum, in der Natur – auch wenn die kleinen Erholungsstunden durch die Obrigkeit oft beschränkt wurden.