Dance with daemons: Jonglieren mit Schwergewichten

Sommerausstellung Beyeler
Philippe Parreno, Membrane 2, 2024, und Fujiko Nakaya, Untitled, 2024, Courtesy the artists, Foto: Mark Niedermann
Review > Basel > Fondation Beyeler
28. Juni 2024
Text: Jolanda Bozzetti

Sommerausstellung (Dance with daemons).
Fondation Beyeler, Baselstr. 101, Basel-Riehen.
Montag bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr, Mittwoch 10.00 bis 20.00 Uhr.
Bis 11. August 2024.
www.fondationbeyeler.ch

Sommerausstellung Beyeler
Adrian Villár Rojas, The End of Imagination VI, 2024, Courtesy the artist, © Adrián Villar Rojas, Foto: Mark Niedermann
Sommerausstellung Beyeler
Dominique Gonzalez-Foerster, Untitled (nuage), 2024, Courtesy the artist, © Dominique Gonzalez-Foerster, Foto: Markus Niedermann

Dicht an dicht, Rahmen an Rahmen gehängt, bilden sie eine durchgehende, wellenförmige Horizontlinie: Gärten und Weizenfelder Vincent van Goghs gehen direkt über in See- und Alpenpanoramen von Ferdinand Hodler, führen weiter zu einer abstrakten Wasserlandschaft Max Ernsts, einem Sternenhimmel, fotografiert von Wolfgang Tillmans. Beim Betreten der ersten Ausstellungsräume reibt man sich die Augen. Was ist passiert im Kunsttempel Fondation Beyeler? Ein Scherz der Kurator*innen? Einige Besucher*innen blättern verwirrt im begleitenden Booklet. Dort heißt es: „Works of the Beyeler collection may move around in this section and can possibly be encountered in this room“. Tatsächlich rollen kurz darauf zwei Techniker einen Bilderwagen heran, beladen mit weiteren Werken der Sammlung. Das Konzept der stetig wandernden und permanent neu gehängten Bilder stammt von Tino Sehgal (*1976), einer der vielen Ideengeber und Mitwirkenden an dieser interdisziplinär angelegten und in Zusammenarbeit mit der LUMA Stiftung organisierten Ausstellung. Aktuell lautet ihr Titel „Dance with daemons“. Aber auch das wird sich bald wieder ändern, es stehen noch 15 weitere auf der Liste. Alles ist hier in Bewegung in diesem Sommer und vieles so ganz anders als man es kennt von diesem berühmten Haus.

Sehgal, der als Künstler und Choreograph von Situationen konsequent darauf bedacht ist, ein rein immaterielles Werk zu schaffen, jongliert hier mit kunsthistorischen Schwergewichten. Seine verspielte Hängung, die oft formalen Assoziationen zu folgen scheint, sorgt immer wieder für Überraschungen. In einem Saal etwa hängen Bilder von Francis Bacon so hoch, dass die frontal davor platzierten großen, stehenden Frauen Giacomettis den Figuren Bacons ganz real auf Augenhöhe begegnen. In einem weiteren Raum bilden unterschiedliche Plastiken – etwa das Hochglanz-Entchen „Titi“ von Jeff Koons (*1955) und eine kinetische Assemblage von Jean Tinguely – spannungsreiche Paarungen. Mit „This Joy“ ist auch ein eigenes Werk Sehgals vertreten. Verschiedene Interpretinnen und Interpreten geben mit der Modulation ihrer Stimmen, die von Gesang über Beatboxen reichen kann, und den freien Bewegungen ihrer Körper der Freude Ausdruck – ein Tribut an mehrere berühmte Kompositionen Ludwig van Beethovens.

Zahlreiche weitere zeitgenössische Künstler*innen bespielen mit eigens für die Ausstellung geschaffenen Arbeiten einzelne Räume. Und auch hier gibt es wieder viel Bewegung. In Adrián Villar Rojas (*1980) raumgreifenden hybriden Material-Formationen etwa dreht eine Süßkartoffel, ihren Duft verströmend, unermüdliche Runden in einer Mikrowelle, oder es läuft eine schäumende Waschmaschine. Und in Carsten Höllers (*1961) „Dream Hotel Room“ kann man sich in einem kreisenden Bett, unter einem schwebenden Fliegenpilz, eine ganze Stunde lang in den Schlaf schaukeln lassen. Mit entsprechendem Ticket sogar im Museum übernachten.

Draußen hüllt in regelmäßigen Abständen dichter Nebel das Museumsgebäude ein wie in Watte. Verschleiert es und macht es dann wieder sichtbar. Diese Installation stammt von Fujiko Nakaya (*1933). Für einen kurzen Moment entrückt der Nebel die Architektur, schafft jedoch auch eine Verbindung zur Natur. Diese auf verschiedenen Meta-Ebenen zu betrachten und zu erfahren, laden weitere im Garten platzierte Werke ein. Dominique Gonzalez-Foerster (*1965) etwa dupliziert auf einem großen LED-Screen die am Himmel vorbeiziehenden Wolkenformationen und lässt darauf abstrakte Engelsfiguren erscheinen. Precious Okoyomon (*1993) hat ein bunt blühendes Gewächshaus mit ausschließlich giftigen Pflanzen angelegt. Und von Philippe Parreno (*1964) stammt die hoch aufragende, kybernetische Installation „Membrane 2“, die mittels sensomotorischer Fähigkeiten elektronische Signale aus der Umwelt in Klang übersetzt.

Die aktuelle Sommerausstellung macht die Fondation Beyeler zu einem Museum der Möglichkeiten. Bis zum Ende der Laufzeit werden noch viele zu entdecken sein.