Hoover Hager Lassnig: Wahrnehmung von Welt und ich

Anneliese Hager Kunsthalle Mannheim
Anneliese Hager, o.T. (Portrait A. H.), 1947, © Estate of Anneliese Hager, Foto: Präsident und Kollegen des Harvard College, 2018
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29. März 2024
Text: Annette Hoffmann

Hoover Hager Lassnig.
Kunsthalle Mannheim, Friedrichsplatz 4, Mannheim.
Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr, Mittwoch 10.00 bis 20.00 Uhr.
Bis 28. April 2024.
www.kuma.art
Zur Ausstellung sind drei Kataloge erschienen:Deutscher Kunstverlag, Berlin 2023, 240 S., 44 Euro | ca. 61.90 Franken.

Maria Lassnig Kunsthalle Mannheim
Maria Lassnig, Selbstporträt mit Stab, 1971, © Maria Lassnig Stiftung, Wien / VG Bild-Kunst, Bonn 2023
Nan Hoover
Nan Hoover, Zweieinhalb Monate, 1972, © Nan Hoover Foundation, Courtesy Sebastian Fath Contemporary
Nan Hoover
Nan Hoover, Impressions, 1978, Videostill, © Nan Hoover Foundation, Courtesy Sebastian Fath Contemporary

„Hoover Hager Lassning“ sind Nan Hoover (1931-2008), Anneliese Hager (1904-1997) und Maria Lassnig (1919-2014). Die Ausstellung von Werken der drei Künstlerinnen in der Kunsthalle Mannheim kommt ohne verbindendes Thema, sogar ohne Satzzeichen aus. Man wird diese drei Präsentationen, die im Erdgeschoss zu sehen sind und durch trennende Wände ihre Autonomie behaupten, im Zusammenhang mit einer Aufarbeitung des Kanons zugunsten von Künstlerinnen sehen können. Maria Lassnig ist längst Teil dieses Kanons und hier vielleicht so etwas wie ein Zugpferd. Doch auch Hoover fand international Anerkennung, so wurde sie zur documenta 6 und 8 sowie 1984 auf die Biennale von Venedig eingeladen.

Als Hoover 2004 das Selbstporträt aufnimmt, auf dem ihr Kopf und drei Finger ihrer Hand aus dem Schwarz aufscheinen, ist sie bereits in ihren Siebzigern. Der Hell-Dunkel-Kontrast wirkt auf diesem digitalen Foto beinahe malerisch, die Farbgebung im Print körnig. Wie ein Lichtkeil kommt uns ihr angeschnittenes Gesicht mit dem Hut entgegen. Schon in den 1970er Jahren begann sie mit der Videokamera zu arbeiten und gezielt Licht einzusetzen als Mittel den Körper zu inszenieren. Die Videokamera gab ihr die Möglichkeit, das Sehen des Auges nachzuahmen und etwas Konkretes mit etwas Abstraktem zu verbinden. Anneliese Hager war für das Fotogramm fast schon ein bisschen spät dran. Zwischen 1935 und 1965 entstehen 100 bis 150 dieser kameralosen Fotografien, ein Teil ihres Frühwerkes wurde bei der Bombardierung von Dresden zerstört. Hager, die sich beim Berliner Lette-Verein zur Fotografin ausbilden ließ und zeitweilig in einem Labor arbeitete, schuf Selbstporträts mit ihrem vervielfältigten Profil, über das sich textile Strukturen legen. Maria Lassnig wiederum scheint mit jedem Bild sich selbst zu malen. Etwa „Laokoon“ aus dem Jahr 1976 oder „Selbstporträt mit Kochtopf“ von 1995. Das Alter Ego der Künstlerin ringt nackt mit der Schlange, allein, schließlich blieb sie anders als Laokoon kinderlos. Oder ihre Augen sind von einem Kochtopf bedeckt, der Mund ist aufgerissen, ihr Zopf scheint erstarrt vor Schmerz oder Überraschung. Eine blinde Malerin wird keine Seherin werden. Lassnigs Leinwandkörper sind denkbar unheroisch. Ihre Nacktheit ist nicht verführerisch, eher scheint das Alter hier ein Exempel statuieren zu wollen. Lassnig ist allein mit der Künstlerinnenrolle, Raum zur Überhöhung gibt es nicht. Dafür aber Humor und Selbstironie, wie sie in ihrer Animation „Kantate. The Ballad of Maria Lassnig“ beweist. In Form des Bänkelsangs erzählt sie in Zeichnungen und Schüttelreimen von ihrer schwierigen Jugend und dem Kampf um Anerkennung als Künstlerin, die später dann bekanntlich doch noch kommen sollte.

Man kann sich angesichts dieser Ausstellung durchaus fragen, ob der Körper für das Werk von Künstlerinnen wichtiger ist als für Künstler. Bevor Nan Hoover in den Niederlanden als eine der ersten mit der Videokamera experimentiert, entstehen noch in New York Zeichnungen und Bilder, die Sexualität im Verhältnis zu Macht und Nähe untersuchen. Diese mitunter surrealistisch wirkenden Arbeiten sind sichtlich von der Hippie-Bewegung beeinflusst und die bunten Farben lassen Anleihen bei der Popkultur erkennen. Hoover stellt Beziehungen als erotische Verbindungen dar, die sich einpendeln zwischen Intimität und Abhängigkeit, Obsessionen und Ekstase. In ihren späteren Videoarbeiten ist der Körper viel stärker eine Figur, die sich in Zeit, Raum und Licht bewegt und entsprechend verändert.

Für Anneliese Hager besteht eine große Nähe zwischen dem automatischen Schreiben der Surrealisten und ihren Fotogrammen. Die Mannheimer Ausstellung zeigt, wie sich ihre Naturbetrachtungen und ihre Kunst gegenseitig bedingen und ihren Anspruch auf eine poetische Wahrnehmung der Welt. Ihren auf wenige Exemplare limitierten Gedichtband „Weiße Schatten“ ließ sie in Originalfotogramme mit verschiedenen Motiven einschlagen.