Michael E. Smith: Minimalismus mit Punk-Attitüde

Michael E. Smith
Michael E. Smith, untitled, 2024, Ausstellungsansicht Kunst Museum Winterthur, Courtesy the artist, Foto: Reto Kaufmann
Preview > Winterthur > Kunst Museum Winterthur
27. März 2024
Text: Dietrich Roeschmann

Michael E. Smith.
Kunst Museum Winterthur / Beim Stadthaus, Museumstr. 52, Winterthur.
Dienstag 10.00 bis 20.00 Uhr, Mittwoch bis Sonntag 10.00 bis 17.00 Uhr.
Bis 28. April 2024.
www.kmw.ch

Michael E. Smith
Michael E. Smith, untitled, 2023, Ausstellungsansicht Kunst Museum Winterthur, Courtesy the artist, Foto: Reto Kaufmann
Michael E. Smith
Michael E. Smith, untitled, drei Objekte, je 2023, Ausstellungsansicht Kunst Museum Winterthur, Courtesy the artist, Foto: Reto Kaufmann
Michael E. Smith
Michael E. Smith, Free, 2024, Ausstellungsansicht Kunst Museum Winterthur, Courtesy the artist, Foto: Reto Kaufmann

Am Ende ist es ein kaum wahrnehmbares Brummen, das einen im Kunst Museum Winterthur in der fahlen Dämmerung eines türlosen Raumes mit der Leere alleine lässt. Und selbst das ist nicht ganz sicher. Brummt es hier wirklich? Und wenn ja: Ist es die Kunst? Ist es die Lüftung, das Licht? Michael E. Smith (*1977) mag es, wenn sich Räume mit Fragen füllen. Um das zu provozieren, greift der US-amerikanische Bildhauer gerne auf Vorgefundenes und Alltäglliches zurück – auf Dinge, die er auf der Straße, in Billigläden oder Brockenstuben findet und die er dann nach langem Auswahlprozess meist in verwaisten Räumen zu reduzierten Settings arrangiert, beiläufig und wie aus Versehen zurück gelassen. Ein Sneakers-Karton an der Wand. Das Fragment einer Küchenplatte. Flickenteppiche. Ein Stoffsack. Ein Stück Kunstrasen. Mal mutieren diese Dinge zu Möbeln, mal zu Bildern, mal wirken sie wie Landschaftsfragmente. Oft nutzt Smith dafür Situationen, die sich durch architektonische Besonderheiten der Gebäude ergeben, in denen er ausstellt – Umwege, Durchgänge, markante Raumfolgen, unvermittelte Sackgassen.

Für seine aktuelle Soloschau in Winterthur nahm er sich nahezu ein Jahr Zeit, um einen angemessenen Parcours zu erarbeiten, der die wohnlichen Säle im neoklassizistischen Altbau, in dem all die Cézannes und Bonnards der hauseigenen Sammlung hängen, auf subtile Weise mit dem supercleanen Erweiterungsbau des Architekturbüros Giger/Guyer verbindet, einem White Cube par excellence, so hell, dass einem die Augen schmerzen. Wie leicht sich dieses hermetische, moderne Konzept des vermeintlich neutralen Ausstellungsraumes ad absurdum führen lässt, macht Michael E. Smith mit einem einfachen Griff zum Dimmer deutlich. Im Neubau ringen die meisten seiner Arbeiten nun in schwachem Licht um Aufmerksamkeit, das weniger Gemütlichkeit verbreitet als ein Gefühl von Übernächtigung. Fast könnte man diese Lichtregie als eine Art Sedativ verstehen, um eine Handvoll kinetischer Skulpturen in Zaum zu halten, die hier verstreut in den Räumen vor sich hin zittern. Dazu gehören etwa zwei große Tonnen aus Gummi, in denen jeweils eine lange Metallstange steckt. Ein Unwuchtmotor, der die Tonnenwand von innen in Bewegung versetzt, bringt die Stangen zum Tanzen. Nicht weniger slapstickhaft wirken die  elektrisch animierten, neongelben Tennisbälle, die Smith hier nervös über ölige Steeldrums vibrieren lässt, begleitet vom leisen Dröhnen des Metalls. Dass dieser Sound entfernt an das Rumoren einer Waschmaschinentrommel im Wollwaschgang erinnert, ist nicht ohne Grund. Tatsächlich bindet Michael E. Smith seine kargen Objekte grundsätzlich in ein dichtes Netz an Verweisen ein und lässt sie über die Räume hinweg miteinander kommunizieren. Die Tennisbälle in der Steeldrum treten so in Dialog mit einem mit Antenne ausgestatteten Basketball, der neben einer Flasche Weichspüler auf einem riesigen Waschtisch im ersten Saal des Neubaus ruht. Der Basketball wiederum ruft ein seltsam unförmiges Hindernis in Erinnerung, das einem auf dem Weg zur Ausstellung im Mittelsaal des Altbaus zwischen Gemälden von Picasso, Braque und Delaunay den Weg versperrte. Drei Basketbälle liegen dort nebeneinander auf einem Aktenschrank, gehalten von einer dicken, transparenten Plane – eine charmante Do-It-Yourself-Hommage an Jeff Koons „Three Ball Total Equilibrium Tank“ aus den frühen Jahren des Post-Pop-Stars. Constantin Brancusis 1913 entstandene Skultptur „Danaïde“ aus der Sammlung des Museums hingegen behandelt Smith zwei Säle weiter wie einen originellen Flohmarkt-Fund, indem er ihr eine aus Helm und Gerte zusammengebastelte Maske auf die Vitrine klebt. In Gesten wie diesen zeigt sich eine latente Punk-Attitüde, die alle Arbeiten des Minimalisten aus Providence unterfüttert. Mit winzigen Eingriffen beansprucht Michael E. Smith hier das ganze Haus für sich, degradiert die Sammlung kurzerhand zur Kulisse und platziert selbst noch in der parallel laufenden Gruppenschau zur Abstrakten Malerei der 1980er Jahre bis heute scheinbar ungefragt seine Arbeiten: drei Stapel Kinderstühle und einen mobilen Mal-Container. Damit sich auch die Kleinen mit den Großen von Gerhard Richter bis Katharina Grosse messen dürfen.