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PRICE, L’Air du Temps (breathing my beloved in), 2024, Videostill, Performance im Theaterhaus Gessnerallee, Zürich, Foto: Yel K Banto; Courtesy the artist
Porträt
1. März 2024
Text: Annette Hoffmann

PRICE. Manor Kunstpreis Kanton Bern.
Kunsthaus Biel / Centre d’Art Biel, Seervorstadt 71-73, Biel / Bienne.
Mittwoch und Freitag 12.00 bis 18.00 Uhr, Donnerstag 12.00 bis 20.00 Uhr, Samstag und Sonntag 11.00 bis 18.00 Uhr.
1. März bis 19. Mai 2024.
www.kbcb.ch
www.theworkofprice.com

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PRICE, L’Air du Temps (breathing my beloved in), 2024, Videostill, Performance im Theaterhaus Gessnerallee, Zürich, Foto: Yel K Banto; Courtesy the artist
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PRICE, L’Air du Temps (breathing my beloved in), 2024, Videostill, Performance im Theaterhaus Gessnerallee, Zürich, Foto: Yel K Banto; Courtesy the artist

Gegen die Nase kommt man nicht an. Man kann sich gegen vieles wappnen, doch Gerüche treffen uns ins Mark. Genauer ins limbische System, das für Erinnerungen und Gefühle verantwortlich ist. Wenn PRICE seine neueste Performance „L’air du Temps (breathing my beloved in)“ nennt, spielt dies gleich doppelt auf unseren Riechsinn an. Denn „L’air du Temps“ ist ein bekanntes Parfüm, das von Nina Ricci 1948 entworfen wurde. Die stilisierten Tauben des verspielten Flacons kamen zur rechten Zeit. Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg wollten alle nur Frieden, entsprechend blumig ist der Duft. Der Geruch der Geliebten, die hier eingeatmet werden, ist vermutlich nicht ganz so blumig. In PRICEs Performance kommt der Flacon von Marc Lalique nicht vor, dafür gibt es übergroße kupferne Gefäße. Kupfer, weil es ein Material von High­end-Designs ist, aber auch weil es antiseptische Wirkungen hat. Denn zusätzlich zu den deutlich wahrnehmbaren Tuberosen und dem Parfümgeruch liegt eben auch ein Hauch Desinfektionsmittel in der Luft.

PRICE, der mit dem Manor Kunstpreis Kanton Bern ausgezeichnet wurde, arbeitet mit Bühnenbild, Kostüm, Vorhängen und Requisiten. Man könnte also sagen, er macht Theater, zumal PRICE für Mathias Ringgenberg (*1986) so etwas wie eine Rolle ist, ein halbfiktionaler queerer Hybrid. Doch der Künstler mit schweizerisch-brasilianischen Wurzeln PRICE und die anderen Performer brechen nicht nur die vierte Wand zum Publikum auf, in den Arbeiten überlappen sich Theater- und Performancebühne, Club, der digitale Raum, Laufsteg und Ausstellungsraum. Und so sind auch in „L’air du Temps (breathing my beloved in)“ (in Kollaborationen mit Davi Pontes, Wallace Ferreira, Vini Ventania, Tobias Koch und Renato Grieco), das von der Zürcher Gessnerallee, dem Lausanner arsenic und dem Kunsthaus Pasquart koproduziert wurde, Bühnenbild und Requisiten künstlerische Objekte. Je nach Aufführungsort wechselt die künstlerische Identität von Mathias Ringgenberg vom Musiker hin zum Tänzer hin zum Performer hin zum bildenden Künstler. PRICE hat Alben veröffentlicht und wenn er auf der Bühne singt, klingt das, als vertanzte er Sprache. PRICE ist für Mathias Ringgenberg eine Generationsfigur, eine Reaktion auf die aktuelle Massenkultur, auf das Internet und den Neoliberalismus. Und natürlich schwingt in den Arbeiten auch eine antikapitalistische Haltung mit, was fast ein bisschen ironisch wirkt angesichts des Künstlernamens und des Parfüms, das innerhalb von Haute-Couture-Unternehmen meist der einzig erschwingliche Luxus ist.

Was seine Performances so zeitgeistig macht, ist nicht allein das Queere, das Zusammenfallen von Körper und Identität, sondern auch das Ausstellen. Performances von PRICE baden im Bühnenkitsch der Perücken, der Vorhänge und von Rollen, die ihr Divensein mit einer gewissen Dirtyness verbinden. Doch natürlich ist Ringgenberg, der an der Gerrit Rietsveld Academie in Amsterdam studierte und 2015 an der Hochschule der Künste Bern seinen Master in Performance und Theater gemacht hat, kein naiver Künstler. Die Kostüme sind dekonstruierte Entwürfe mit abgetrennten Ärmeln, die als Stulpen und Stoffteile, die als Schürzen und Schleppen getragen werden, sie sind vieles in einem. In einem Interview anlässlich der Ausstellung seiner Arbeit „Mantras for a Club“ 2020 in der Stadtgalerie Bern, sagte er in einem Interview mit dem „Bund“: „Vielleicht ist ‚Mantras for a Club‘ eine Art Hymne für das Transdisziplinäre, das Queere, Resistente. Aber mir geht es nicht nur um eine Identifikationspolitik. Ich biete dem Publikum lediglich an, sich den Raum zu nehmen, und nicht von ihm eingenommen zu werden“.