Martin Kasper, No Way
E-Werk – Galerie für Gegenwartskunst, Eschholzstr. 77, Freiburg.
Donnerstag bis Freitag 17.00 bis 20.00 Uhr, Samstag 14.00 bis 20.00 Uhr, Sonntag 14.00 bis 18.00 Uhr.
Bis 14. Januar 2024
www.regionale.org
www.martinkasper.net
Unmittelbar nach dem Betreten der Galerie I nimmt man den Geruch frischer Farbe wahr. Mehrere in Grautönen bemalte Holzpaneele sind zu einer Installation zusammengefügt, die eine wandgroße Fläche ergeben. Sie wurden erst kurz vor der Vernissage vor Ort fertiggestellt, da Martin Kasper die Übergänge der Motive angepasst hat. Kasper hat bereits bestehende Motive erneut gemalt. Darunter befinden sich Zitate von Bildern und Orte in unterschiedlichen Perspektiven. Dabei spielt Kasper bewusst mit Bildbrüchen und begrenzt sich auf eine ganz bestimmte Bandbreite von Farbtönen. Die Abbildungen sind perspektivisch in sich stimmig. Erstmals malt Martin Kasper in der Grisaille-Technik. „Diese Grisaille-Malereien sind ein Kaleidoskop von verschiedenen Bildfragmenten, Zitate von Bildern und Orten, die ich schon einmal gemalt habe.“ Die Effekte, die dabei erzeugt werden, führen zu einem größeren Abstraktionsgrad, denn „je länger man die Bilder betrachtet, desto mehr beginnen die Einzelteile der Architektur sich zu bewegen und sich herauszulösen, sich zu verselbstständigen“, so Kasper.
Das größte und zentrale Gemälde in der Ausstellung „No Way“ erstreckt sich über mehrere Wände. Dabei fügen sich die einzelnen Paneele mit ihren jeweiligen Motiven zu einer Installation zusammen, was bei intensiver Betrachtung fast zu einem Vertigo-Erlebnis führt.
Als Inspirationsquelle für seine Kunst gibt Kasper auch die Ästhetik des Filmes an, ein besonderer Einfluss ist für ihn der ikonische Regisseur Stanley Kubrick.
Fünf Werke haben das Atelier zum Motiv. Die Bilder „Abend, Nacht, Nacht und Nebel“ sowie zwei kleinere Atelierbilder zeigen dabei den Ausblick aus einem Fenster. Insbesondere hier ist nicht nur der Himmel in unterschiedlichen Lichtverhältnissen interessant, sondern auch die Spiegelungen in den Fenstern, Böden und weiteren Oberflächen.
Die beiden kleineren Atelierbilder, welche direkt nebeneinander hängen, bilden einzelne Holzpaneele der Grisaille-Malerei im Atelier ab. Dies veranschaulicht den Entstehungsprozess der raumgreifenden Wand. Dadurch ergibt sich ein Bild-im-Bild-Effekt, jene Verschachtelung, die man von Kasper bereits kennt.
Demgegenüber befindet sich ein großformatiges Baustellenmotiv. Dabei ist die Farbigkeit besonders herausstechend, da es direkt neben der Grisaille-Malerei hängt. Die Farben eines Baucontainers wirken besonders leuchtend.
Auffallend sind hierbei die Schatten, die einen prägnanten Eindruck der Umgebung aufzeigen. Baumstämme und Äste strecken sich über den Container hinweg und geben einen indirekten Blick nach außen. Zudem erwecken der Schatten einer Person, sowie von der Decke herunterhängende Kabel, den Anschein einer Bewegung.
Ein weiteres großformatiges Bild, ist das Werk „Bar“. Im ersten Moment wirkt es vertraut, da sowohl die Fluchtpunktperspektive als auch die Farbigkeit bekannte gestalterische Elemente des Malers sind. Anders als die Motive früherer Werke, wirkt dieses nicht einsam und leer. Auf der Theke sind Schallplatten abgelegt, durch eine Hintertür fällt natürliches Tageslicht in den Raum und die Fensterwand ist zerbrochen.
Martin Kasper stellt bereits seit dem Jahr 1987 aus. Spiegelungen und Verschachtelungen waren von Beginn an Kernelemente seiner Kunst. Dabei ist für ihn der Bezug zwischen dem gewählten Raum, dem Illusionsraum und dem tatsächlichen Raum von Interesse. Ein gutes Beispiel ist das Bild „sur le mur“. Hierfür hat Kasper einen Spiegel als Zentrum gemalt. Der Spiegel zeigt das Abbild der Ausstellung, in der er präsentiert wurde.
Die Farbauswahl trifft Kasper meist nach Gefühl. Hierbei kommt es vor, dass die Bilder einer Ausstellung sehr unterschiedliche Farbigkeit besitzen, aber dennoch zusammengehörig sind.
In den Leinwandbildern finden sich Ungewohntes, wie der Blick nach draußen, der in einigen Motiven gezeigt wird. Auch eine andere Farbgebung entsteht durch das Festhalten eines besonders auffälligen Lichts. Die Räume von Kasper sind stärker zusammengebaut. Eindrückliche Gefühle wie Einsamkeit oder Leere, welche aus älteren Bildern vertraut sind, nimmt man in „No Way“ nicht wahr. In der Galerie wagt er einen Schritt zur Surrealität. Grund dafür sind Kaspers malerische Möglichkeiten und ein neues Nachdenken über den Raum. Durch die Bewegung der Betrachter*innen verändert sich auch der Raum, wodurch ebenfalls ein filmischer Effekt entsteht.
Die Ausstellung im E-Werk steht nicht im Widerspruch zu den vorherigen Arbeiten Kaspers, sondern stellt eine Weiterentwicklung dar. Das könnte spannend werden: die Grisaille-Technik, ein Aufbrechen des Raumes und eine Auseinandersetzung mit früheren Motiven.
— Dieser Text entstand im Rahmen der Übung „Kunstkritik: Zeitgenössische Kunst zum Sprechen bringen“ im WS 2023/24 am Kunstgeschichtlichen Institut der Universität Freiburg.