My Ullmann, Bilder, Bühne und Kunst am Bau: Unverwechselbares Label

My Ullmann
My Ullmann, Spirale, ohne Jahr, Wandbildentwurf für die Universitätsklinik Bonn, Detail, Nachlass My Ullmann
Review > Konstanz > Städtische Wessenberg-Galerie
20. Dezember 2023
Text: Christoph Schneider

My Ullmann, Bilder, Bühne und Kunst am Bau.
Städtische Wessenberg-Galerie, Wessenbergstr. 43, Konstanz.
Freitag bis Sonntag 10.00 bis 17.00 Uhr.
Bis 7. Januar 2024.
www.konstanz.de

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren die Grenzen zwischen angewandter und freier Kunst noch fließend. In der künstlerischen Ausbildung waren Lehrpläne breit gefächert. Sie verbanden die Arbeitsfelder Kunst und Kunsthandwerk zu einem umfassenden praxisbezogenen Ausbildungsprogramm. My Ullmann, 1905 in Wien geboren und 1995 in Konstanz gestorben, wurde mit 16 Jahren an der Wiener Kunstgewerbeschule aufgenommen, die durch unkonventionelle Lehrmethoden und interdisziplinäre Ansätze mit Musik und Tanz den Zugang zur Kunst erprobte. Vor allem der experimentelle Unterricht in Ornamentaler Formenlehre bei Franz Čižek war wegweisend für Ullmann, der schon damals „eine außerordentliche Begabung“ attestiert wurde. Weil sich die eigensinnige Studentin nicht in den Unterrichtsbetrieb einordnen wollte, wurde ihr jedoch die Fortsetzung des Studiums verweigert.

Ullmann zählt zu den Begründer:innen des Kinetismus, einer Ausprägung des Konstruktivismus zwischen Kubismus und Futurismus, die um 1920 im Umfeld der Kunstgewerbeschule entstand. Herausragende Arbeiten aus Ullmanns Œuvre sind derzeit in einer dichten Retrospektive in der Städtischen Wessenberg-Galerie Konstanz zu sehen. Kompositionen, in denen sich rhythmische Muster und Darstellungen simultaner Bewegungsprozesse miteinander verbinden. In anderen Arbeiten durchdringen sich Formen und kräftige Farben, wodurch der Eindruck großer Bewegtheit und räumlicher Tiefe entsteht.

Nach dem Studium arbeitete Ullmann als Werbegrafikerin, Bühnen- und Kostümbildnerin, Innenarchitektin und in der Mode und Textilgestaltung. Ihre von zahlreichen Ortswechseln bestimmte Karriere führte sie in die Schweiz und an viele Orte in Deutschland. Ihre konzeptionelle Stärke und gestalterische Vielseitigkeit bewies Ullmann etwa 1931 durch ihre umfassende Arbeit für die Ausstattung des Zürcher Schauspielhauses und der Geistlichen Spiele in Luzern, für die sie Bühnenbilder, Kostüme und das grafische Erscheinungsbild inklusive Briefpapier und Eintrittskarten entwarf. Ihr künstlerisches Selbstbewusstsein zeigt sich auch deutlich in ihren Selbstvermarktungsstrategien. Schon seit den 1920er Jahren signierte sie ihre Arbeiten mit „My“, der lateinischen Transkription des griechischen Buchstabens „M“, der für Ihren Vornamen Maria steht. Für Ihre durch Rhythmus, Bewegung und Licht geprägten Gestaltungsprinzipien, die sich in allen Arbeitsgebieten und Werkphasen immer wieder erkennen lassen, erfand sie so ein unverwechselbares Label.