Cyanotypien, Ton und Freiheit

Anna Atkins
Anna Atkins, Himanthalia lorea, aus: British Algae, Part I, 1843, © Taschen, New York Public Library
Bücher
14. November 2023
Text: Annette Hoffmann
Anna Atkins
Anna Atkins, Ceramium rubrum, aus: British algae, Part IX, 1846-49, © Taschen, New York Public Library
Anna Atkins
Anna Atkins, Delesseria sinuosa, aus: British Algae, Part V, 1845, © Taschen, New York Public Library

Anna Atkins: Cyanotypes, Taschen, Köln 2023, 660 S., limitiert und nummeriert im Schuber, 100 Euro | ca. 133 Franken
Die Titeltypografie des ersten Bandes der „British Algae“ setzte sich aus fein gefiederten Algen zusammen. Anna Atkins’ 1843 veröffentlichtes Buch über die englischen Algen erschien in einer Auflage von gerade einmal 15 Exemplaren. Als sie 1871 starb, geriet ihr Werk in Vergessenheit, als es 1888 in Glasgow öffentlich ausgestellt wurde, hielt man ihre Initialen für eine Abkürzung von Anonymous Amateur. Nun hat der Taschen Verlag ihr Buch über die Algen sowie ein zweites über Farne in einem Band vereint und zugänglich gemacht. Atkins, 1799 als Tochter eines Gelehrten geboren, war umfangreich gebildet. Vor allem die Naturwissenschaften hatten es ihr angetan. Zugleich war die Botanik ein Feld, auf dem Frauen reüssieren konnten. Sie zeichnete Pflanzen und Tiere, erkannte aber auch schnell das Potential des von John Herschel entwickelten Verfahrens der Cyanotypie für ihre Zwecke. Atkins präparierte ihr Papier selbst und setzte es samt Algen der Sonne aus. Zwischen 1843 und 1853 entstanden so 10.000 Bilder. Die Cyanotypien mit ihrem charakteristischen Preußischblau zeigen mitunter wolkige Gebilde, zarteste Verästelungen und Übereinanderlagerungen, die nur schwer hätten gezeichnet werden können. Der prächtig auf­gemachte Band rekonstruiert Atkins‘ Lebenswerk, aber auch ein bedeutendes Kapitel der Kulturgeschichte.



Strange Clay. Ceramics in Contemporary Art, Hatje Cantz, Berlin 2022, 176 S., 35 Euro | ca. 55.90 Franken
„Strange Clay“ ist ein merkwürdiger Titel für ein Buch über ein Material, das für zeitgenössische Künstler eine zunehmende Rolle spielt. Fremd sollte es nicht sein, eher vertraut, gehört es doch zu den ältesten Materialien überhaupt. Selbst wenn frühe menschliche Siedlungen völlig zerstört sein sollten, Scherben, wenn nicht gar Gefäße finden sich immer. Nach Jahren, die durch die Nähe zum Kunsthandwerk bestimmt waren, sollte Ton mittlerweile ein Material der zeitgenössischen Kunst sein wie jedes andere auch. Mehr noch, es ist, laut Jonathan Baldock, der eigentlich ausgebildeter Maler ist, in ständigem Austausch mit dem Körper, da dieser Spuren im Material hinterlässt. Die Publikation ist zur gleichnamigen Ausstellung der Londoner Hayward Gallery entstanden und doch mehr als das. Insofern sie Einführung ist, in das, was heute an Merkwürdigkeiten mit Ton möglich ist und eine Reihe von zeitgenössischen Keramikern vorstellt, sowie das, was heute alles heil den Brennofen verlassen kann.



Isaac Julien: What Freedom Is to Me, Hirmer, München 2023, 208 S., 49,90 Euro | ca. 69.90 Franken
Eine derartige Sichtbarkeit wie 2022 hatte das Werk des britischen Künstlers Isaac Julien wohl noch nie in Deutschland. Ungeachtet seiner Lehrtätigkeit an der HfG in Karlsruhe von 2008 bis 2016. Auf die Verleihung des Kaiserrings der Stadt Goslar folgte die Überblicksschau in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen K21 in Kooperation mit der Tate Modern. Der Katalog dokumentiert dies, doch vor allem ist er ein Angebot, sich mit dem komplexen Werk von Julien auseinanderzusetzen. Julien, 1960 in London geboren, sagt von sich, er habe versucht, das Verdrängte in neuer Gestalt zu konstruieren. Dazu gehören die Erfahrungen der Windrush-Generation wie auch des queeren Lebens. Julien erzählt in seinen Filmen davon oft biografisch, etwa durch das Leben des schwarzen Abolitionisten Frederick Douglass (1818-1898) oder durch die Architektur von Lina Bo Bardi. Seine Filminstallationen haben dabei skulpturale Eigenschaften, indem sie sich auf mehrere Bildschirme verteilen.