Ulrike Rosenbach: heute ist morgen.
ZKM, Lorenzstr. 19, Karlsruhe.
Mittwoch bis Freitag 10.00 bis 18.00 Uhr, Samstag und Sonntag 11.00 bis 18.00 Uhr.
Bis 7. Januar 2024.
www.zkm.de
Fast alle Videoinstallationen von Ulrike Rosenbach (*1943), die im Karlsruher ZKM zu sehen sind, stehen auf einer Salzinsel, etwa ihre Arbeit „Reflexionen über die Geburt der Venus“ von 1976/78. „Im Prinzip hat es mit dem Meersalz zu tun, mit der aus der See geborenen Venus, wie sie in der Muschel an den Strand reitet“, sagt Rosenbach. Das habe sie dann beibehalten, weil Salzkristalle sehr gute Projektionsflächen für Video oder Dias seien. Also keine tiefere Bedeutung? In den „Reflexionen“ überblendet die Videokunst-Pionierin die Venus-Darstellung von Sandro Botticelli mit ihrem eigenen Körper, wobei sie sich langsam dreht. Plötzlich verdüstert sich das Bild, Aphrodite-Venus verschwindet. Der Effekt ist keine digitale Zauberei. Die Künstlerin trägt ein enganliegendes Trikot, das vorne weiß und hinten schwarz ist. Spielt sie auf Tag und Nacht an oder handelt es sich hier um einen ironischen Akt feministischer Sabotage? Offenbar beides. Ulrike Rosenbach arbeitet recherchebasiert, stellt Zeitungsausschnitte aus, etwa eine Aufnahme, die das Botticelli-Gemälde als Deko eines Pelzgeschäfts zeigt.
Damals war Ulrike Rosenbach bereits mehrfach in den USA gewesen und hatte am California Institute of Arts gearbeitet. Nach ihrer Rückkehr nach Köln gründete sie nach US-Beispiel den Nachbarschaftssender ATV, um ihre Videoarbeiten lokal verbreiten zu können. Ihre Video-Liveaktion „Glauben Sie nicht, dass ich eine Amazone bin“ performte Ulrike Rosenbach 1976 in Paris. In der Karlsruher Retrospektive mit dem Untertitel „heute ist morgen“ sind ihr schwerer Bogen und die Pfeile ausgestellt, auch die Zielscheibe, auf die eine vergrößerte Aufnahme der Lochner-Madonna aus dem 15. Jahrhundert geklebt ist. Die Relikte zeigen, was in dem auf einem kleinen Monitor laufenden Video nicht zu erkennen ist: das Gesicht der Madonna mit dem konzentrierten Gesichtsausdruck der zielenden Amazone überblendet. Es betont die sich wiederholenden Momente der Aktion, des Handelns, auch der Selbstbefragung.
Die Schau bietet viele Gelegenheiten, sich auf ein Werk einzulassen, das sich nicht in den Schlagworten Videokunst und Feminismus erschöpft. Aus den späten 1960er Jahren Zeit stammen auch die Hauben-und-Kragen-Skulpturen der Studentin Rosenbach. Die mit feiner Gaze bespannten Drahtkonstruktionen passen auf den Kopf, auf die Schultern der Künstlerin. Das Alltagsmotiv ist im Werk von Ulrike Rosenbach von Beginn an da, ebenso die kulturhistorische Perspektive, denn Hauben verwiesen auf den sozialen Status einer Frau. Solche Bildwelten mitzudenken, sei in den USA üblicher gewesen, sagt Ulrike Rosenbach.
Das klingt nach einem homogenen Weg ohne überraschende Wendungen. Die gab es aber auch. Nach einer persönlichen Krise beginnt Rosenbach ihre Themen anzugehen, deren Vielstimmigkeit schwer zu fassen ist. Die Video-Installation „Schlacht der Bäume“ von 1989/91 konfrontiert mit zersplitterten, traumhaften Sequenzen. Eine Collage aus Schlachtszenen, sich im Wind wiegender Baumkronen und Aufnahmen einer Frau mit Schlafmaske ist auf die Wand projiziert. Davor hängen Herzpendel über einem Salzteppich. Aus dem Off erklingt eine Rezitation einer keltischen Ballade, die auf den Archetypus des Kampfes anspielt. Solche ins Übersinnliche verweisende Arbeiten scheinen meilenweit entfernt von dem zu sein, was Rosenbach als junge Mutter Anfang der 1970er Jahre zu Hause mit ihrer ersten Videoausrüstung produzierte. Mehr als zwanzig dieser Bänder sind in der 120 Werke umfassenden Schau zu sehen. „Der Muff und das Mädchen“, oder „Bindenmaske“ zeigen, wie weibliche Körper stillgelegt werden, thematisieren die Frauen- und Mutterrolle.
Die Retrospektive legt offen, wie die Künstlerin über mehr als fünf Jahrzehnte kulturell geprägte Bilder zitiert und überschreibt. Bis heute hat sie ihren Witz nicht verloren. Gegen Ende des Rundgangs grüßt eine leichtfüßige Figur – nicht mehr als ein schwarzer Schattenriss – herüber. „Last Call for Angels“ lautet die Ansage.