Niko Pirosmani.
Fondation Beyeler, Baselstr. 101, Basel-Riehen.
Montag bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr, Mittwoch und Freitag 10.00 bis 21.00 Uhr.
Bis 28. Januar 2024.
www.fondationbeyeler.ch
Rund 100 Jahre alt sind die Bilder und wirken zugleich fremd und vertraut. Der Maler Niko Pirosmani (1862-1918), der oft als „Rousseau des Ostens“ bezeichnet wird, gilt als wegweisend für die moderne Malerei, ähnlich wie sein französisches Pendant.
Ganz anders hingegen seine Motive, die in die kulturelle Vergangenheit Georgiens zurückführen. Da heben schnauzbärtige Männer ihre Trinkhörner zum Gelage – es wird getafelt und gefestet, andere Werke zeigen wilde Tiere, die mit hypnotischem Blick aus dem Dunkel spähen. Die Szenen sind auf schwarzes Wachstuch gemalt und leuchten geheimnisvoll.
Oft waren die Wirte von Tavernen die Auftraggeber von Niko Pirosmani. Für sie malte er Schilder und Stillleben mit Speisen, um sein vagabundierendes Leben zu sichern – Ungebundenheit war ihm äusserst wichtig. Er verkehrte in den Duchans in Tbilissi, einfachen Marktbuden und Vergnügungslokalen, die Treffpunkte aller sozialen Schichten waren. Hier vergnügte man sich, führte Debatten über Kunst und Literatur. Tbilissi war in dieser Zeit eine blühende Kulturmetropole und wurde mit Paris verglichen.
Pirosmani malte auch in den Duchans, die fast wie eine öffentliche Galerie wirkten. Hier wurde die künstlerische Avantgarde auf den Aussenseiter und sein eigenwilliges, im höchsten Masse authentisches Schaffen aufmerksam. 1912 wurden seine Bilder von zwei georgischen Künstlern und einem Künstler aus Moskau entdeckt. Endlich erhielt er die verdiente Aufmerksamkeit und Anerkennung. Es folgten Presseberichte, die Aufnahme in den neu gegründeten Kreis der georgischen Künstlerschaft und 1913 die Teilnahme an der Ausstellung „Mischén“ (Zielscheibe) in Moskau, zusammen mit der russischen Avantgarde, Marc Chagall, Natalja Gontscharowa, Michail Larionow und Kasimir Malewitsch. Eine georgische Initiative rief dazu auf, seine Bilder zu sammeln, eine Schau in Paris war bereits angedacht, wurde aber wegen des Ersten Weltkriegs abgesagt.
Was faszinierte die jungen Kunstschaffenden am Werk des Autodidakten? Intuitiv erkannten sie, dass diese Malerei einen Bogen schlug zwischen einer frühen, verschütteten georgischen Kultur und einem neuen zukunftsgerichteten Bilderdenken. Alte Motive, die auf Fresken in Kirchen, auf verziertem Silbergeschirr und auf Grabsteinen überlebten, verwandelt Pirosmani ohne sie direkt zu zitieren. Das Letzte Abendmahl lebt in Bankettszenen oder der Einzug von Christus auf dem Esel in Jerusalem im Gemälde „Der Arzt auf dem Esel“ weiter. Auch orientalische Motive der Kadscharen, einer persischen Königsdynastie des 18. Jahrhunderts, tauchen in Symbolen wie Löwe und Sonne oder in Frauen mit Tamburin wieder auf.
Auch Ansichtskarten könnten ihm als Inspiration gedient haben, möglicherweise bei seinem berühmtesten Bild der „Giraffe“. Vielleicht kannte der Künstler eine Reproduktion des Tieres, das Anfang des 20. Jahrhunderts aus Nordafrika nach Frankreich importiert und herumgezeigt wurde, und in Europa eine riesige Euphorie auslöste. Pirosmani war bekannt. Zeitungen berichteten, Rezensenten bewunderten seine „präzise Methode“, „seine kraftvolle künstlerische Energie, die in der schöpferischen Veranlagung der Georgier angelegt ist“ und feierten die Bilder als Verbindung von volkstümlicher Kunst und neuen Sehweisen.
Doch gab es auch andere, kritische Stimmen. 1916 erschien eine Karikatur, die Pirosmani als unbedarften, barfüssigen Maler der bekannten Giraffe verunglimpfte. Der Künstler ertrug diese Demütigung nicht, zog sich aus den Künstlerkreisen zurück und ging als Person im Bewusstsein der Öffentlichkeit verloren. Er starb zwei Jahre später krank, arm und einsam an Ostern.