Experimental Ecology, Kunst x Wissenschaft im Dialog: Naturgeschichten erzählen

Experimental Ecology
Sissel Tolaas & Christina Agapakis, The_Suiss_The_Cheese, 2023, Installationsansicht Experimental Ecology, KBH.G, Foto: Kulturstiftung Basel H. Geiger | KBH.G, Courtesy the artists
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16. Oktober 2023
Text: Annette Hoffmann

Experimental Ecology. Kunst x Wissenschaft im Dialog.
Kunststiftung Basel H. Geiger, Spitalgasse 18, Basel.
Mittwoch bis Montag 11.00 bis 18.00 Uhr.
Bis 29. Oktober 2023.
www.kbhg.ch

Experimental Exology
Zheng Bo & Matthias Rillig, The Political Life of Plants 2, 2023, Installationsansicht Experimental Ecology, KBH.G, Foto: Kulturstiftung Basel H. Geiger | KBH.G, Courtesy the artists
Experimental Exology
Ingo Niermann & Alex Jordan, Welcome to My World, 2023, Installationsansicht Experimental Ecology, KBH.G, Foto: Kulturstiftung Basel H. Geiger | KBH.G, Courtesy the artists

Kooperationen zwischen Kunst und Wissenschaft kranken oft daran, dass sie so abstrakt bleiben. Von der Zusammenarbeit von Sissel Tolaas und Christina Agapakis lässt sich dies nicht sagen. Fünf kleine Käselaibe stehen in der Kulturstiftung Basel H. Geiger in gläsernen Vitrinen, die in eine Stellwand eingelassen sind. Ein weiterer unter einer Käseglocke, er riecht stark. Fotos und Schaubilder erläutern den Prozess der Käseherstellung. Die verschiedenen Sorten lassen sich bestimmten Menschen, genauer ihren Bakterienkulturen zuordnen. Pierre Coulin, Käsemacher aus Allschwil und Dritter im Bunde von „The Suiss-the-Cheese“ ist einer von ihnen, Benedikt von Peter, Intendant des Theater Basel ein anderer.

Die Verwandtschaft von Käse und Körpergeruch ist sogar in die Sprache eingegangen, Sissel Tolaas und Christina Agapakis experimentieren seit mehr als zehn Jahren mit ihr. Ihre Paarung – Tolaas versteht sich als eine „professionelle Zwischen-den-Kategorien-Künstlerin“, Agapakis ist Künstlerin und synthetische Biologin – ist eine von fünf, die in der Ausstellung „Experimental Ecology“ das Verhältnis von Kunst und Wissenschaft ausloten. Es geht neben Käse viel um Wasser, um Lachs und den Wald, vor allem jedoch um Lebensräume und wie der Mensch in diese involviert ist. Kurze Videoporträts im Foyer geben einen ersten Eindruck in Recherche und Forschungsschwerpunkte.

Martina Huber und Gianni Jetzer beziehen sich mit dem Titel der von ihnen kuratierten Ausstellung „Experimental Ecology“ auf die Initiative „E.A.T.“ (Experiments in Art and Technology), die 1967 in New York stattfand und unter anderem von Robert Rauschenberg organisiert wurde. Dass sich unsere Wahrnehmung von Natur verändert hat, nicht zuletzt durch die Pandemie, sind sich die beiden sicher, doch es zeigt sich eben auch, dass das Interesse Wellen unterliegt. Und es ist zeitabhängig, so sind die Fragestellungen von Riikka Tauriainen, die sich mit Postkolonialismus und Genderthemen befasst, auch sehr gegenwärtig. Das Meer als Lebensraum ist für sie eine queere Welt. „We celebrate differences. I am me. I am many“, heißt es im Video von Riikka Tauriainen. Tatsächlich ist das Meer seit Langem ein gutes Beispiel für die gegenseitige Befruchtung von Kunst und Naturwissenschaft. Ernst Haeckel hat um das Jahr 1900 mit seinen „Kunstformen der Natur“ nicht nur manche Strahlentierchen und Quallen erstmals gezeichnet, sondern auch die Kulturgeschichte bis hin zu Interieurdesigns maßgeblich beeinflusst. Auch bei Tauriainen liegt der Band auf dem Ateliertisch. Ihrer Zusammenarbeit mit der Zürcher Umweltwissenschaftlerin Meike Vogt und auch den anderen werden kleine Bühnen, wie Szenografien eingerichtet. Blaudrucke von Kleinstorganismen hängen von der Decke, über den Boden führen Stege mit Lautsprechern, über die auch der Sound des Meeres und der Ton des Videos zu hören ist. Dem Waldspaziergang von Zheng Bo und Matthias Rillig kann man auf einer Holzbank zwischen Pflanzen zuhören. 

Ins Wasser hingegen führen auch Ingo Niermann und Alex Jordan. Ihre Animation, die in einem mit Sand ausgefüllten Raum zu sehen ist, befasst sich mit dem Vielgestreiften Schneckenbuntbarsch, der im ostafrikanischen Tanganjikasees jeweils in einem Habitat von 30 Zentimetern lebt und in Schneckenhäusern laicht. Die kleinen Fische, durch deren Lebensraum in der Animation ab und an ein Raubfisch schwimmt, reagieren auf unsere Bewegungen und sind so ein schöner Köder, sich mit dieser sehr speziellen Lebensform zu befassen und, so die Hoffnung von Niermann und Jordan, mehr Empathie für Fische zu entwickeln, obwohl sie nicht dem Kindchenschema entsprechen. Man kann diese Ausstellung nicht solitär sehen. Workshops, die Theaterperformance von Michelle-Marie Letelier und Karin Pittman (28.9.) gehören ebenso dazu wie der umfassende Reader. Wer hier Feuer fängt, dem kann weitergeholfen werden.