Jósefina Alanko.
STRABAG Kunstforum, Donau-City-Str. 9, Wien.
Vernissage 11. Januar 2024.
www.strabag-kunstforum.at
josefinaalanko.com
In ihrem Atelier hat die Nähmaschine ihren festen Platz. Denn für die meisten von Jósefina Alankos Arbeiten beginnt hier alles. In kurzen Videoclips kann man Alanko (*1998) sehen, wie sie unbehandelte Leinwand unter den Nähfuß schiebt, die Richtung ändert und wenn sie den Stoff herauszieht, wirkt dieser nicht mehr ganz so flach. Was hier auf wenige Sekunden im Film zusammengeschnurrt ist, braucht seine Zeit. Denn Alanko, der in diesem Sommer der Hauptpreis des STRABAG Artaward International zugesprochen wurde, appliziert auf der Leinwand ein weiteres Stück Leinwand, aus dem durch Nähte und Falten Wulste werden. Sie ähneln Hautfalten und nicht selten bergen sie Perlen. „Taschen“, würde Alanko sagen. Erst dann zieht sie die Leinwand auf den Keilrahmen auf und es beginnt der eigentliche Malprozess.
Es bräuchte nicht Titel wie „Mammal anatomy“ oder Alankos Aussagen zu Natur und Weiblichkeit, um auf ihren Arbeiten zahlreiche Vulven zu erkennen. Wenn Lucio Fontana die Leinwand eingeschnitten hat, so stülpt Alanko Stoff ein und aus. Während eines Stipendienaufenthaltes in Paris begann sie netzartige Strukturen aus pastellfarbener Wolle zu häkeln und verband diese mit der Leinwand, um sie im Anschluss zu bemalen. Wer will, kann in dieser „Mammal anatomy“ Brustwarzen sehen. Alanko wuchs in Nordfinnland auf, tatsächlich gehört sie der Volksgruppe der Karelen an, deren besondere Kultur und Sprache lange vergessen war. Nach ihrem Studium, zog sie nach Polen. Dort lebte sie unter anderem in Łódź und sieht ihre Stoffarbeiten auch als eine Referenz an die lange Geschichte der Textilindustrie dieser Stadt. Erst kürzlich richtete sie sich in Wien ein.
Anspielungen auf Sexualität und Fruchtbarkeit von einer weiblichen Perspektive finden sich zuhauf in dem Werk. Und sie verbinden sich mit ihrer Herkunft. So bezieht sich eine ihrer ersten Werkgruppen „World Eggs“, Eier aus Ton, an denen sie seit 2020 arbeitet und die mittlerweile auf über 300 Objekte angewachsen ist, auf das Nationalepos „Kalevala“. Die Welt schlüpft in dieser nordischen Dichtung, deren Ursprünge auf eine mündlich tradierte Volksüberlieferung zurückgehen, aus dem Ei einer Tauchente. Alanko überzieht diese Keramikeier mit verschiedenen Glasuren, die alle wesentlich bunter sind als die zurückhaltende Farbigkeit ihrer Leinwände. Und sie setzt ihnen Blütenkronen auf oder gibt einen Einblick in ihr Inneres, das mitunter so voll von Samen ist wie ein Granatapfel. Ihre Arbeit, so sagt sie, unterstreiche Weiblichkeit und die Natur. Und dass wir vergessen haben, auf die weibliche Weisheit zu hören.
Doch neben dieser inhaltlichen Ebene, die für Alanko viel mit ihrem kulturellen Erbe zu tun hat, gibt es eine stark formale Ebene ihrer Arbeiten. Alanko erweitert ihre Leinwände in eine räumliche Dimension. Sie spielt damit, dass in diesen Taschen etwas vor uns verborgen bleibt. So wie wir Betrachtenden uns vielleicht nie der Essenz eines Werkes nähern können. Jósefina Alanka erweitert nicht allein mit der Leinwand selbst diese, sie experimentiert auch mit Sand, den sie von ihren Reisen mitgebracht hat, und mit Klebstoff. In neueren Arbeiten bedeckt sie die Leinwand mit Blasen, die bei aller Opazität eine gewisse Transparenz versprechen. All diese Oberflächen vermitteln Vorstellungen von Körperlichkeit und sprechen die Sinne an.