Tiona Nekkia McClodden: Double Bind

Tiona Nekkia McClodden, THE POETICS OF BEAUTY WILL INEVITABLY RESORT TO THE MOST BASE PLEADINGS AND OTHER WILES IN ORDER TO SECURE ITS RELEASE, Kunsthalle Basel, 2023, Ausstellungsansicht, Foto: Philipp Hänger / Kunsthalle Basel
Review > Basel > Kunsthalle Basel
11. Juli 2023
Text: Annette Hoffmann

Tiona Nekkia McClodden.

Kunsthalle Basel,
Steinenberg 7, Basel.
Dienstag, Mittwoch, Freitag 11.00 bis 18.00 Uhr, Donnerstag 11.00 bis 20.30 Uhr, Samstag und Sonntag 11.00 bis 17.00 Uhr. Bis 13. August 2023.

www.kunsthallebasel.ch

Tiona Nekkia McClodden, THE POETICS OF BEAUTY WILL INEVITABLY RESORT TO THE MOST BASE PLEADINGS AND OTHER WILES IN ORDER TO SECURE ITS RELEASE, Kunsthalle Basel, 2023, Ausstellungsansicht, Foto: Philipp Hänger / Kunsthalle Basel
Tiona Nekkia McClodden, THE POETICS OF BEAUTY WILL INEVITABLY RESORT TO THE MOST BASE PLEADINGS AND OTHER WILES IN ORDER TO SECURE ITS RELEASE, Kunsthalle Basel, 2023, Ausstellungsansicht, Foto: Philipp Hänger / Kunsthalle Basel
Tiona Nekkia McClodden, THE POETICS OF BEAUTY WILL INEVITABLY RESORT TO THE MOST BASE PLEADINGS AND OTHER WILES IN ORDER TO SECURE ITS RELEASE, Kunsthalle Basel, 2023, Ausstellungsansicht, Foto: Philipp Hänger / Kunsthalle Basel

Wenn Tiona Nekkia McClodden in ihrem Video „Dire/Retenue“ jene sechzehn Ledergürtel an ihrem Oberkörper anlegt, die in der Kunsthalle Basel im Oberlichtsaal an den Wänden hängen, liegt einer unter ihrem T-Shirt. Es wirkt ein bisschen so als hätte McClodden einen Pakt mit sich selbst geschlossen. Zumal auf den Gürteln Sätze wie „Energy finds the most open channel“, „Grasping a sense of disruption“ oder „A single moment of unattention and I forget to breathe“ stehen. Tatsächlich ist der Atem ein wiederkehrendes Motiv in den von ihr verfassten Zeilen und überhaupt in der Kunst der Afroamerikanerin. In „Dire/Retenue“ nimmt sie sich ganz willentlich die Luft, indem sie ihren Oberkörper mit den Gürteln ein- und die Atmung abschnürt. Anfangs scheint sich der Körper aufzurichten, dann steigt der Druck und je mehr dieser zunimmt, desto schwerer geht der Atem, die Arme bewegen sich unbewusst als könnte sie die Lungen unterstützen. Aus der Einschränkung wird so etwas wie Angstlust bis McClodden im Video die Gürtel wieder abnimmt. McClodden hat eine Schlafapneu, nachts vergisst ihr Körper zu atmen. Keine Luft zu bekommen, gehört zu ihrem Alltag. Während des Schlafes ist sie auf eine Beatmungshilfe angewiesen. Bezieht man dann noch mit ein, dass der Satz „I can’t breathe“ zur Parole der Black Lives Matter-Bewegung wurde, ist in etwa die Gemengelage von Tiona Nekkia McCloddens Kunst beschrieben: das Private ist politisch und es ist Stoff ihrer Kunst.

In ihrer ersten institutionellen Ausstellung bestimmt der Rhythmus ihrer nächtlichen Atemaussetzer den des Ventils von „Apnea“. Regelmäßig entweicht gut hörbar dem Kompressor Luft. Tiona Nekkia McCloddens Arbeiten mögen abstrakt und minimalistisch wirken, doch eigentlich ist die Kunsthalle Basel voll mit Körpern. Und alle sind im Ausnahmezustand. Denn an der Wand hängt ihre Serie „Mercy“. Nicht grundlos wirken diese Objekte ziemlich bedrohlich. Wer nicht wie Tiona Nekkia McClodden – sie wurde 1981 in Blytheville im Staat Arkansas geboren – im Süden der USA aufgewachsen ist oder aus anderen Gründen etwas von Landwirtschaft versteht, wird diese Metallkonstruktionen nicht zuordnen können. Es sind so genannte Halsfangrahmen, mit denen in Treibgängen Rinder fixiert werden, um sie zu isolieren, tierärztlich zu behandeln oder auch zu töten. Die Halsfangrahmen, die nun in Basel zu sehen sind, geben dem Tier mal mehr, mal weniger Freiraum. McClodden hat sie bearbeitet, die Logos und Aufkleber entfernt und das Metall mit Schuhcreme geschwärzt. In der Mitte des Raumes steht der Kompressor im Ständer eines solchen Halsfangrahmens.

Wenn McClodden sich damit auseinandersetzt, wie Vieh in einer industriell geprägten Landwirtschaft am effizientesten gehalten (und verwertet) wird, geht es ihr um Mechanismen der Kontrolle. So wie sie sich selbst gesellschaftlichen Machtgefügen unterworfen sieht. Ihre Erfahrungen als queere Afroamerikanerin sind ein Movens ihrer Arbeit und spiegeln sich in dieser, entsprechend aufgeladen ist sie. Ihre Kunst ist eine Art Selbstermächtigung. Sie thematisiert ihr Schwarzsein, indem sie mit Häuten arbeitet und sie reflektiert Zwänge, indem sie etwas so Selbstverständliches und Existenzielles wie das Atmen erschwert und unterdrückt. Mit „Never let me go“ weist eine weitere Werkserie die Doppelnatur eines Double Binds auf. Tiona Nekkia McClodden hat Keilrahmen mit Leder bezogen, dieses geschwärzt und Bondageseile darüber geschlungen. Wie beim Bondage sind sie nicht verknotet, sondern so geführt, dass sie sich ohne Weiteres lösen lassen. Auch wenn der Titel etwas anderes suggeriert, gibt es zwischen dem dominierenden und dem passiven Part einen Vertrag über die Konditionen des Zusammenseins. Anders als im Staat, in dem die Unterwerfung nicht auf einem Konsens beruht, sondern sich der eine über den anderen überhebt: sei es über Tiere oder andere Menschen.