Landpartie II: Bex & Arts, Froh Ussicht, Zur frohen Aussicht und Castasegna unter Strom

Augustin Rebetez, Sans titre, 2023, Installationsansicht Bex & Arts 2023, Courtesy the artists, Foto: Gabriel Monnet
Landpartie
9. Juli 2023
Text: Annette Hoffmann

Bex & Arts 2023.
Park Szilassy in Bex.
Montag bis Sonntag 10.00 bis 19.00 Uhr.
Bis 24. September 2023. www.bexarts.ch

Froh Ussicht, Samstagern.
Führungen: 27. August, 24. September, 29. Oktober 2023.
Infos unter www.frohussicht.ch

Zur Frohen Aussicht, Ernen.
Bis 17. September 2023.
Workshop und Klangperformance mit Stefanie Salzmann und Hammer Band am 12. August 2023.
Ausstellung von Willimann/Arai im Kunstraum Lemme, Sion, bis 9. September 2023.
Infos unter www.zurfrohenaussicht.org

Castasegna unter Strom.
Sala Viaggiatori, Castasegna.
Bis 27. August 2023.
www.sala-viaggiatori.ch

Marta Margnetti & Xénia Lucie Laffely, Gelosie, 2023, Installationsansicht Bex & Arts 2023, Courtesy the artists, Foto: Gabriel Monnet

Bex & Arts 2023
Mit den Alpen hat jede Form von Kunst hier einen ernsthaften Gegenspieler. Denn je nachdem, wo man sich im Bexer Park Szilassy befindet, sieht man direkt auf die Berge. Der Park wirkt dagegen ausgesprochen lieblich, tatsächlich ist er von Menschen gemacht und orientiert sich an englischen Landschaftsparks mit altem Baumbestand. Und die Natur nährt einen hier wirklich: es gibt eine Buvette in dieser Idylle.

Doch zur Kunst. In diesem Jahr steht die Triennale Bex & Arts, die seit 1978 ausgetragen wird, unter dem Motto „Vivement demain“. Das klingt nicht nach einer der derzeit üblichen Dystopien, obgleich es auch darum gehen soll, was uns Angst macht und was Gesellschaften polarisiert. Bex & Arts hat 25 Künstlerinnen und Künstler eingeladen, sich mit dem Morgen und dem Verhältnis des Menschen zur Natur zu befassen. Darunter sind nicht ausschließlich bildende Künstler, sondern auch Designer, Architekten und Keramiker. Die Triennale im Kanton Waadt legt meist den Schwerpunkt auf die jüngere Schweizer Szene. Um die Natur kommt man bei dieser Freiluftausstellung, die gut 40 Minuten Zugfahrt von Lausanne entfernt ist, nicht herum. Doch Bex ist nicht nur ein ausgesprochen pittoresker Ort, landschaftlich schön gelegen, sondern hat auch eine industrielle Geschichte. Ab Mitte des 17. Jahrhunderts wurde hier Salz gewonnen, heute zählt es mit rund 8000 Einwohnern zu den größeren Waadtländer Gemeinden.

In diesem Jahr zeigen unter anderem Augustin Rebetez, Sonia Kacem, Sophie Ballmer & Tarik Hayward, Luzia Hürzeler, Pascal Seiler und Sonja Feldmeier ihre Arbeiten. Auch Vanessa Billy ist in der aktuellen Auswahl mit dabei, die Schweizer Künstlerin setzt sich mit Energiekreisläufen auseinander.

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Froh Ussicht
Es sagt schon viel, dass die von Fritz Haber entwickelte Ammoniaksynthese einerseits für Düngemittel, andererseits für Sprengstoff wichtig wurde. Agrochemie wird heute durchaus kritisch gesehen, doch je größer die Weltbevölkerung wird und je weniger Menschen in der Landwirtschaft arbeiten, desto mehr ist diese auf Dünger angewiesen. Dass es auch anders ginge, beweisen viele Bäuerinnen und Bauern. Pedro Wirz, Markus Müller und Willimann/Arai reflektieren in ihren Arbeiten zum Projekt Froh Ussicht den Umgang mit Giften, die in der Kunst oft nicht minder toxische Geschenke sind. Man denke nur an Farben oder Kunststoffe. Das Feld für Reflexionen ist eröffnet, es liegt an uns, was wir mit der Erde machen.

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Zur frohen Aussicht
Das Künstlerinnen-Duo Willimann/Arai, das auch an der diesjährigen Ausstellung Froh Ussicht in Samstagern dabei ist, ist für das zum vierten Mal von Josiane Imhalsy kuratierte Projekt Zur frohen Aussicht auf dem Pilgerweg von Sitten zum Rhonegletscher gewandert, hat dabei die Rhone kartiert und mit ihr verbundene Geschichten gesammelt. Im Kunstraum Lemme in Sion zeigen die beiden ausgewähltes Bildmaterial aus ihrer Recherche sowie zum japanischen und europäischen Pilgerwesen. Mit dabei ist in diesem Jahr auch Stefanie Salzmann. Sie stellt mit Pflanzen gefärbte Textilarbeiten aus, während Raphael Stucky mit seinem Projekt Hammer Band in der Twingischlucht im Binntal eine Klangskulptur performen wird (ebenfalls 12.8.). Weitere Arbeiten des in Basel lebenden Künstlers sind in einem Stadel in Ernen zu sehen. Auch gut: Während einer künstlerischen Wanderung im Juli verlas der FEMINIST ALPINE CLUB (Josiane Imhasly und Martina-Sofie Wildberger) ein Manifest und plakatierte dieses auf eine Fassade in Ernen und im ganzen Goms. So stösst man im Hochtal auf Sätze wie:
Näher, langsamer, flacher!
Wie pisse ich mit dem Klettergurt?
Zu grosse Tritte für die kleinen Schritte.
Ich habe Angst. Ich habe keine Angst.
roe

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Castasegna unter Strom
Manchmal ist es kein Fehler, zu früh auf den Bus zu gehen. Nicht etwa, weil er in ländlichen Regionen unzuverlässig fahren würde. In Castasegna ist das Wartehäuschen des Postautos, das eigentlich ein Pavillon ist, 24 Stunden geöffnet und auch Ausstellungsraum. Die Sala Viaggiatori ist ein architektonisches Juwel und wurde von Bruno Giacometti entworfen. Rot leuchtet es gut sichtbar in den Ort hinein. Und da in Castasegna die Kraftwerkanlage der ewz steht und auch niemand anderes als Bruno Giacometti die Werksiedlung entworfen hat, bot sich für Kurator Luciano Fasciati Strom als Thema der Sommerschau an. Mit dem Künstler Mario Comensoli hat er jemanden gefunden, der die Migranten, die hier in den 1950er Jahren arbeiteten, nicht nur für bildwürdig hielt, sondern ihnen auch ein echtes Interesse entgegenbrachte. Arbeiten von Gabriela Gerber & Lukas Bardill sowie von Roman Signer erweitern das Thema. „Castasegna unter Strom“ ist nicht allein eine Kunstausstellung in nuce, sondern schlägt auch ein kulturhistorisches Kapitel der Region auf.