Nature. Sound. Memory: Unsere wichtigste Ressource

Nature. Sound. Memory, Sigalit Landau
Sigalit Landau, Salted Lake, 2011, Videostill, Courtesy the artist
Review > Basel > Kunsthaus Baselland
9. Juni 2023
Text: Iris Kretzschmar

Nature. Sound. Memory.
Kunsthaus Baselland, St. Jakob-Str. 170, Basel-Muttenz.
Dienstag bis Sonntag 11.00 bis 17.00 Uhr.
Bis 9. Juli 2023.
www.kunsthausbaselland.ch

Monira Al Qadiri.
Kunsthaus Bregenz, Karl-Tizian-Platz, Bregenz.
Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr. Donnerstag 10.00 bis 20.00 Uhr.
Bis 2. Juli 2023.
www-kunsthaus-bregenz.at

Nature. Soun. Memory, Monira Al Qadri
Monira Al Qadiri, Holy Quarter, 2020, Videostill

Wie eine Reise ins Unbewusste führen zwei Arbeiten der französischen Künstlerin Maya Schweizer (*1976) in die Unterwasserwelt. In „L’etoile de mer“ (2019) mischen sich collageartig Fragmente aus Gegenwart und Vergangenheit der Filmgeschichte mit poetischen Texten. Der Seestern als geheimnisvoller Wasserbewohner war schon im Surrealismus Leitmotiv einer erotischen Begegnung im gleichnamigen Filmexperiment von Man Ray. Auch im zweiten Video, „Voices and Shells“ (2020), taucht die Kamera ab und tastet sich durch ein unterirdisches Tunnelsystem. Zwischen Rohren und Kanälen erscheinen Muscheln, Strudel und Spiralen, die Gebautes mit Organischem verbinden. Ein Film, wie ein gefährlicher Sog, der nicht nur die düstere Unterwelt, sondern auch die beklemmende Nazivergangenheit von München ins Blickfeld rückt.

Das Kunsthaus Baselland zeigt derzeit Arbeiten, die unsere wichtigste Ressource, die Natur, in den Fokus stellen. Die fünf Künstlerinnen, die an der Gruppenschau „Nature. Sound. Memory“ beteiligt sind, mögen aus unterschiedlichen Ländern und Generationen stammen, doch ihre eindringlichen Video- und Klanginstallationen tragen jeweils drängende Fragen ans Publikum.

Wasser ist auch Thema zweier Videoarbeiten der israelischen Künstlerin Sigalit Landau (*1969), die mit starken Bildern eine sich anbahnende Auslöschung alles Lebendigen durch die Versalzung des Toten Meers aufzeigt. Nicht nur die schwimmende Frau inmitten einer Spirale aus süssen Wassermelonen in „Dead Sea“ (2005) ist bedroht, auch die schweren, zur Salzskulptur erstarrten Schuhe in „Salted Lake“ (2011) sind dysfunktional geworden. Ein Cluster unterschiedlicher Soundscapes dringt aus drei grossen grauen Findlingen. „As if I became upside down, right side up“ (2023) von Hannah Weinberger (*1988) gibt den sonst stummen grauen Riesen eine Stimme, lässt sie mit einer eigenen Komposition auftreten. Es sind rhythmische oder weiche Klänge, deren Schwingungen sich beim ‚Besitzen‘ der Steine auf den Körper übertragen.

In karges Wüstengebiet führt die Installation „Holy Quarter“ (2020) der kuwaitischen Künstlerin Monira Al Qadiri (*1983), deren Arbeiten aktuell auch in einer großen Soloschau im Kunsthaus Bregenz zu sehen sind. Im Kunsthaus Baselland zeigt Al Qadiri überwältigende Bilder einer archaischen Welt aus Kratern, Sand und Fossilien, gleichzeitig ein Ort der Ausbeutung von Ölreserven. Eingehüllt von sphärischen Musiksequenzen, rezitiert eine dunkle Stimme arabisch-religiöse Poesie von St. John Philby. Als hätte der Krater auf dem Screen etwas ausgespuckt liegen reale schwarze Glasobjekte zugleich auf dem Boden – Mahnmal und ästhetisches Objekt zugleich.

Der letzte Raum gehört der bekannten amerikanischen Künstlerin Joan Jonas (*1936), die seit den 1970er Jahren sich mit der Gefährdung der Natur und der drohenden Klimakatastrophe künstlerisch auseinandersetzt. In ihrer Videoinstallation, „Moving off the Land II“ (2019), scheint sie mit den Wesen der Unterwasserwelt zu kommunizieren, filmt sich und andere Menschen vor grossen Aquarien. Mehrere Zeichnungen mit Tusche und Kreide an der Wand unterstreichen das Geschehen im Film. Seit Langem arbeitet Jonas mit Meeresbiologinnen und -biologen zusammen und zitiert deren Erkenntnisse im Soundtrack, zusammen mit alten Mythen und Erzählungen, die sich mit den Ozeanen befassen. Es braucht Zeit sich all den Bilder- und Klangströmen hinzugeben, einzutauchen in berückend schöne Welten, die wie Träume aufscheinen und unsere Sinne betören, und gleichzeitig machen sie bewusst, dass es Zeit ist aufzuwachen und der Natur etwas zurückzugeben.