Jacopo Belloni

Jacopo Belloni
Jacopo Belloni, Anathema Souvenirs, 2021, Installationsansicht Aargauer Kunsthaus, Aarau, Foto: David Aebi
Porträt
9. Juni 2023
Text: Annette Hoffmann

Jacopo Belloni an den Swiss Art Awards, Messe Basel, Halle 1.1.
12. bis 18. Juni 2023.
Montag 16.30 bis 22.00 Uhr, Dienstag bis Samstag 10.00 bis 22.00 Uhr, Donnerstag 10.00 bis 22.00 Uhr, Sonntag 10.00 bis 16.00 Uhr.
www.swissartawards.ch

Jacopo Belloni
Jacopo Belloni, Something like falling off the world, 2022, Foto: Thea Giglio, Courtesy the artist

Der White Cube ist nicht gerade das natürliche Habitat des Grünen Mannes. Daher sicherlich die Erschöpfung und daher der etwas griesgrämige Gesichtsausdruck. Seit dem Mittelalter gibt es diese Figur in Europa, die vermutlich antiken Ursprungs ist. Man findet sie in Kathedralen auf Kapitellen und als Schlussstein, das Gesicht ein Blattwerk. Und auf Gobelins mit wilden Frauen ausgelassene Feste feiernd, während es beim Adel deutlich höfischer und dezenter zuging. In der frühen Neuzeit taucht dann in England Jack in the Green auf, ein Hybrid zwischen Mann und Pflanze, über und über mit Efeu umwunden. Sein Ursprung liegt in Prozessionen zum 1. Mai, auf denen Schornsteinfeger erst Girlanden, später dann pyramidale Aufsätze trugen. Sie sind so etwas wie ein Sinnbild des subversiven Potentials von Folklore.

Wenn Jacopo Belloni (*1992) nun diesen grünen Mann im grauen Anzug müde an eine Wand gelehnt oder gleich als ausgestreckte Hülle im Kunstraum präsentiert, ist hier etwas aus dem Gleichgewicht geraten. In der Reihe New Heads, der gebürtige Italiener hatte 2021 seinen Abschluss an der HEAD in Genf gemacht, zeigte er im Aargauer Kunsthaus Baumgerippe, die kopfüber von der Decke hingen. Seine „Anathema Souvenirs“ waren beladen mit Anhängern in Form von vierblättrigen Kleeblättern, Muscheln und Herzen, die Glück bringen sollen oder zumindest Schaden abwehren. Bellonis Blumengirlanden gehören in den gleichen Kontext, sie feiern den Frühling und die Fruchtbarkeit. Sie zu binden widersetzt sich – genauso wie das Nähen des Jack in the Green-Kostüms – der Logik der kapitalistischen Wertschöpfung. Zugleich sind diese Traditionen, die Amulette und all die esoterischen Objekte, mit denen sich Belloni auch befasst, Manifestationen eines Bedürfnisses, das Leben in Einklang zu bringen: mit den Jahreszeiten und dem Guten und Schlechten, das Menschen widerfährt.