Jiajia Zhang

Jiajia Zhang
Jiajia Zhang, Beautiful Mistakes (after LB), 2022, Videostill, Courtesy the artist
Porträt
22. April 2023
Text: Annette Hoffmann

Jiajia Zhang.
Kunstmuseum St. Gallen, Museumstr. 32, St. Gallen.
22. April bis 27. August 2023.
www.kunstmuseumsg.ch

Gruppenschau mit Jiajia Zhang, Steve Bishop, Lucia Elena Pruša, Michael Ray-Von,Hannah Weinberger und Angharad Williams.
Kunst Raum Riehen, Baselstr. 71, Basel-Riehen.
14. Mai bis 9. Juli 2023.
www.kunstraumriehen.ch

Jiajia Zhang
Jiajia Zhang, Untitled (After Love), Videostill, Courtesy the artist
Jiajia Zhang
Jiajia Zhang, Between the Acts, 2022, Videostill, Courtesy the artist

Über die Besonderheiten des Kunstmuseum St. Gallen hat sich Jiajia Zhang (*1981) bereits ihre Gedanken gemacht. In einem Text, den sie für das Kulturmagazin Saiten über die Ausstellung von Sebastian Stadler schrieb, die dort 2019 stattfand, verglich sie das Museum mit einer Parkgarage. Vermutlich kann Zhang gar nicht anders als sich über Architektur ihre Gedanken zu machen. Als Sechsjährige zusammen mit ihren Eltern aus China in die Schweiz gekommen, absolvierte Zhang von 2001 bis 2007 ein Architekturstudium in Zürich. Kunst zu studieren schien erst einmal nicht solide genug. Sie hat es dann doch getan und zwar in aller Ausführlichkeit: erst zweieinhalb Jahre Fotografie in New York, dann machte sie an der ZHdK 2020 ihren Master. Und im vergangenen Jahr wurde sie mit dem Shizuko Yoshikawa Förderpreis ausgezeichnet, der mit 25.000 Franken dotiert ist und junge Künstlerinnen zu Beginn ihrer Karriere unterstützen soll.

Doch zurück zur Architektur des Kunstmuseums. Diese wird sie nun in ihrer eigenen Ausstellung aufgreifen. Der Sichtbeton und die Rampe erinnern sie an Passagen und leere Ladenlokale. So wie sie im öffentlichen Raum oft Durchgänge oder Shopping Malls als Zwischenzonen zwischen öffentlich und privat, als eine Art innere Öffentlichkeit wahrnimmt. Nicht selten auf Reisen. Zhang arbeitet vor allem mit Fotos und Filmen und oft mit Found Footage. Das Unbehagen, ja die Überforderung angesichts der zeitgenössischen medialen Bilderflut kann sie verstehen. Sie teilt die Frustration, die entsteht sobald man sich den Zwang eingesteht, Bilder zu konsumieren, den vor allem die sozialen Medien mit sich bringen. Was dagegen hilft? Gut ausgewählte Bilder. Wie die Serie „Zeichen und Rituale“, die sie zusammen mit Jiri Markovec zusammen für die Biennale Bregaglia 2022 produzierte. Ein Set von zehn Postkarten war aus ihren Fotorecherchen durch das Tal entstanden. Im handelsüblichen Postkartenständer für 1.80 Franken das Stück erhältlich – oder gleich über die Post zu beziehen – konnte man sie entweder behalten und sammeln oder als einen Gruß aus dem Bergell in die Welt verschicken. Zhangs Motive erkannte man daran, dass sie mit dem Kamerawinkel spielte und auch mal sehr nah herantrat. Was beide interessierte: die Geschichte hinter den Dingen zu erkunden, etwa die der so genannten Schandmasken, die Frauen tragen mussten, die in die Fänge der Hexenverfolgung gerieten. Die Postkarten waren weniger eine nostalgische Geste als eine Aufforderung, genau hinzusehen.

Um Zeit geht es tatsächlich oft in Zhangs Arbeiten. Mitunter formen ihre Fotos eine Art visuelles Tagebuch, sie reflektieren über das Vergehen von Zeit oder führen verschiedene Orte wie New York, Shanghai und Berlin in ein – wenn nicht räumliches – so doch ein zeitliches Kontinuum. Der erzwungene Stillstand der Pandemie hat ihr Nachdenken über Bilder verändert. Eine von Karin Borer und Daniel Kurth kuratierte Gruppenausstellung im Kunst Raum Riehen wird sich im Sommer noch damit befassen, aber bereits in ihrer Einzelausstellung „If every day were a holiday, towns would be more mysterious“ in der Coalmine in Winterthur hatte sich Jiajia Zhang im letzten Jahr auf die Suche nach der Fiktion als narratives und poetisches Element gemacht. Und die Narration braucht diesen ganz besonderen Faden, um sich entfalten zu können. Die „Zeit“, so die Künstlerin, „als emotionale Verkettung, als Krisen-Drehbuch, wortwörtlich als Nach-Stunde – Zeit als unsichtbarer Faden, der sich in gesellschaftlichen, ökonomischen, psychologischen und auch mystischen Bereich einwebt“.