Bernhard Fuchs: Ahorn. Blick auf das, was wahrgenommen werden kann

Bernhard Fuchs, Güterweg, Dobring, Ausschnitt, aus: Straßen und Wege, 2004-2007, Courtesy the artist, © Bernhard Fuchs
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14. April 2023
Text: Rainer Beßling

Bernhard Fuchs: Ahorn.

Oldenburger Kunstverein,
Dienstag bis Freitag 14.00 bis 18.00 Uhr, Samstag bis Sonntag 11.00 bis 18.00 Uhr.
Bis 30. April 2023.

www.oldenburger-kunstverein.de

Bernhard Fuchs, Heuhaufen, Neuschlag, 2009, Ausschnitt, aus: Höfe, 2005-2011, Courtesy the artist, © Bernhard Fuchs
Bernhard Fuchs, Waldweg, Bauernberg, Ausschnitt, aus: Straßen und Wege, 2004-2007, Courtesy the artist, © Bernhard Fuchs

[— artline Nord] Erstaunlich, dass der Fotografie immer noch der Status eines Dokuments zugewiesen wird, ungeachtet des Wissens um ihren Inszenierungscharakter und ihre Manipulierbarkeit. Mit der allzeit verfügbaren Möglichkeit, jeden Moment und jedes Motiv festzuhalten, scheint der Wert der fotografischen Bezeugung des Geschehens und Gesehenen sogar noch gestiegen zu sein. Realität ist erst, was als Bild reproduzierbar die Runde gemacht hat. Wirklichkeit ist, was bildwü̈rdig erscheint. Trotz allem hält sich ein Realismus-Begriff und -Anspruch in den Künsten. Allerdings erscheint er immer fragwürdiger und unschärfer. Konnten die dokumentarischen Schulen in Film und Fotografie noch mit der Losung operieren, wiederzugeben, was ist, erscheint diese Sicht von Welt und Medium heute doch relativ naiv.

Eine der einflussreichsten Strömungen der zeitgenössischen Fotografie ist die Düsseldorfer Schule. Interessant, dass den Protagonist:innen dieser Richtung eine dokumentierende Arbeit bescheinigt und zugleich malerische Attribute zugesprochen werden. Bernhard Fuchs, dessen Arbeit derzeit unter dem Titel „Ahorn“ mit einer Auswahl aus den drei Fotoserien „Straßen und Wege“, „Höfe“ und „Waldungen“ im Oldenburgischen Kunstverein präsentiert wird, zählt zur berühmten Becher-Schule. Das Studium in der Becher-Klasse führte ihn in seine Herkunftsgegend im oberösterreichischen Mühlviertel zurück. Aus konzeptuellen Erwägungen beschränkte er sich bei seinen Expeditionen in die eigene Kindheit auf diese überschaubare Region. Geprägt ist diese von traditioneller Landwirtschaft und zugleich von Phänomenen einer Transformation und Erosion des Ländlichen. Fuchs arbeitet über mehrere Jahre in erkennbar allmählicher Einfühlung an den Serien. Sein Instrument ist eine Mittelformatkamera. In seinen Fotografien, die oft als „unspektakulär“ bezeichnet werden, fehlen sowohl erzählerisch gewendete Hinweise auf einen Wandel von Lebensbedingungen und Lebensweisen als auch jegliche derzeit mit Landschaftsaufnahmen häufig verbundene offensive Markierung von Bedrohungen der Natur. Auch eine Romantisierung von Wald und Wanderwegen sucht man vergeblich. Fuchs befreit die Motive von historischem und ideologischem Gepäck und ebnet Zugänge für einen Blick auf das, was wahrgenommen werden kann. Eine maximale Reduktion rasch wirkender Reize und formaler Minimalismus bestimmen das Bild. Dem Auge drängt sich nichts auf, das Auge kann eindringen. Dabei verraten die Oberflächen nichts von einem vermeintlichen „Wesen der Dinge“. Die Wirklichkeiten dieser Fotografien sind die visuellen Tatbestände. Fuchs gelingt es, abgenutzte ästhetische Kategorien von ihnen fernzuhalten. Sie sind avancierte Malerei, weil sie die Wahrnehmung einer Wirklichkeit möglich machen, die oft von herkömmlichen ästhetischen Ansprüchen an das Landschaftsbild verstellt werden.