Tamara Janes

Tamara Janes, Poor Image Sungaze, Making of, 2022, Installationsansicht Mörschwil, Foto: Tamara Janes
Porträt
21. März 2023
Text: Annette Hoffmann
Tamara Janes, Super Zoom, 2021, Ausstellungsansicht Shed im Eisenwerk, Frauenfeld, Foto: Tamara Janes
Tamara Janes, Low Res Love, 2022, Ausstellungsansicht Cantonale Berne Jura, Kunsthaus Pasquart, Biel/Bienne, Foto: Tamara Janes
Tamara Janes, The New York Public Library Picture Collection, „Pictures I have not returned, yet.“, New York, 2018, Foto: Tamara Janes

Mit einer Bewertung wie „Tamara Janes reproduziert Bilder in schlechter Qualität“, hätte sich das Geschäftsmodell der Berner Fotografin bereits erledigt. Doch der Satz geht ja noch weiter: „wobei sie die Störungen und Fehler nachahmt, die vorkommen, wenn digitale Bilder manipuliert und mit verlustbehafteter Komprimierung gespeichert werden.“ Er stammt aus dem Saaltext zur Regionale 18-Ausstellung im Basler HeK. Doch tatsächlich steht das Werk der 1980 geborenen Janes unter einem Paradox. Einerseits reflektiert sie in ihren künstlerischen Arbeiten die Bilderflut, die wir vor allem der Digitalisierung zu verdanken haben, andererseits trägt sie dazu bei. Denn sie arbeitet als selbstständige Fotografin für Magazine und Zeitungen sowie für andere Kunden – was ihr so etwas wie Freiheit für ihre künstlerische Arbeit eröffnen dürfte.

Schon seit Jahren ist die Auseinandersetzung mit der immensen zeitgenössischen Bildproduktion ihr Thema, das sie in verschiedenen Arbeiten variiert. Für ihre Arbeit „Still Loading, Selbstportrait“ aus dem Jahr 2016 unterbrach sie etwa das Downloaden eigener Porträts aus dem Netz, bevor die Bilder endgültig hochgeladen waren und machte Screenshots. Im Anschluss druckte sie die monochrom-farbigen Flächen auf Stoff, der im Ausstellungsraum drapiert wurde. In ihrer jüngsten Arbeit „Poor Image Sungaze“, die sie im Rahmen eines Kunst am Bau-Wettbewerbs für ein Wohn- und Pflegezentrum in Mörschwil bei St. Gallen realisiert hat, finden sich diese farbigen Flächen wieder. Nun auf Kacheln, die zusammengesetzt einen Sonnenuntergang ergeben. Jede Kachel ist ein Pixel eines großen Bildes, das sich aus unzähligen Fotos von Sonnenaufgängen und -untergängen ergibt.

Tamara Janes studierte zuerst an der ZHdK und an der School of Visual Art in New York, bevor sie 2017 noch einen MA am Institute of Art Gender Nature der HGK Basel machte. Für ein Projekt kehrte sie im Anschluss mit einem Berner Stipendium nach New York zurück, wo sie an der New York Public Library Picture Collection recherchierte. Janes‘ gleichnamige Werkgruppe kombiniert die Archivfotos – darunter befinden sich Aufnahmen von Martin Parr, Robert Frank, aber auch von Werken von Max Ernst, und Dokumentarfotos – mit animierten Gifs. Das ist mitunter von bösem Humor, etwa wenn sie die Fotografie einer doppelköpfigen Schlange mit dem Schriftzug „Best Friends“ versieht, der von zwei jungen Frauen hochgehalten wird, oder eine Man Ray-Aufnahme mit einem gezeichneten Teufelchen. In einem Schmink-Tutorial, das weit vor der Corona-Pandemie entstanden war, wird eine Frau mit Atemmaske von zwei Händen wie aus einem Cartoon unterstützt. Tamara Janes‘ Arbeiten mögen einen konzeptuellen Ansatz haben, den Humor jedoch haben sie darüber nicht verloren. Janes bezieht sich oft auf Hito Steyerls Konzept des „Poor Images“, wie diese es in ihrem Essay „In defense of the Poor Image“ 2009 darlegt, das in einer anderen Ökonomie zirkuliert als etwa ein perfekt bearbeitetes Filmstill.

Ein Poor Image ist ein Bild, das immer schon eine Datei ist, die schnell verschickt werden kann. Umso komischer sind die Displays, in die Tamara Janes die eingescannten Bilder der New York Public Library Picture Collection einfügt. Die Ständer haben Rollen wie die funktionalsten Bürostühle, andere sehen so aus als ließen sie sich auch als Straßensperren einsetzen. In ihrer Arbeit „The Megapixel Propaganda“ von 2019 bezieht sie sich auf die immer höher werdende Auflösung von Digitalkameras, die eher neue Realitäten schaffen als ein realistisches Bild der Welt wiedergeben. Janes hat die Megapixel in 24 Pflastersteine übersetzt und diese mit den bildgebenden Farben Rot, Blau und Grün bemalt. Wenn das kein Beitrag zur Entschleunigung des Bildes ist.