Raus auf die Straße

Erster Einsatz eines Wasserwerfers in Baden-Württemberg am 7.2.1968 in Freiburg, Foto: © aka Filmclub Freiburg
Interview
14. März 2023
Text: Redaktion

Biennale für Freiburg 2: Das Lied der Straße.
16. Juni bis 30. Juli 2023.
Prolog vom 25. Februar bis 15. Mai 2023.
Programm unter www.biennalefuerfreiburg.de

Eröffnung des Prologs zur Biennale für Freiburg 2 in der Freiburger Innenstadt, Fotos: Sévérine Kpoti
Eröffnung des Prologs zur Biennale für Freiburg 2 am DELPHI_space/gvbk, Fotos: Sévérine Kpoti

Drei Fragen an Paula Kommoss, Kuratorin der zweiten Biennale für Freiburg

artline: Im Juni und Juli 2023 findet die zweite Ausgabe der Biennale für Freiburg statt. Titel: „Das Lied der Straße“. Worum wird es gehen?

Paula Kommoss: Der Titel erzählt auf poetische Weise von allem, was wir nicht sehen, wenn wir durch die Straßen laufen, aber auf andere Weise erfahren können – aus Erzählungen und Erinnerungen, in Recherchen oder durch die bewusste Nutzung des öffentlichen Raumes. Es geht um Beziehungen, in die Menschen zueinander treten, um Wege, die sich kreuzen, um Alltägliches, das hier passiert, sich in Ablagerungen materialisiert und die Straße prägt – jede für sich, aber auch um die Infrastruktur, die Zusammenleben ermöglicht. Mit den beteiligten Künstler:innen und Expert:innen wollen wir diese unterschiedlichen Realitäten, Wahrnehmungen und Verdichtungen der Straße in den kommenden Monaten zusammenführen.

artline: Es gäbe auch andere Perspektiven auf die Straße, etwa als Arbeitsplatz, als Transportweg oder als Habitat für Tiere und Pflanzen. Warum fokussieren Sie sich vor allem auf die sozialen und historischen Aspekte?

Paula Komoss: Was mich interessiert, sind die Spuren, die gesellschaftlichen Dynamiken im Stadtraum hinterlassen. Das „Lied der Straße“ – der Titel ist übrigens der deutschen Übersetzung von Federico Fellinis Kinoklassiker „La strada“ entliehen – ist immer auch ein Lied der Ermächtigung. Denn die Straße ist politisches Terrain. Hier versammeln sich Menschen zu Demonstrationen, erobern den öffentlichen Raum mit spontanen Aktionen, starten Revolutionen. Oder sie beanspruchen die Straße selbstbewusst für ihr Handeln, wie die Freiburger Bildhauerin Eva Eisenlohr, die 1957 in einer eigenwilligen Aktion ein von ihr gefertigtes Denkmal per Schubkarre durch die halbe Stadt transportierte, um es nachher ungefragt auf dem Alten Friedhof am halb verfallenen Grab ihres Lieblingsdichters Joseph von Auffenberg zu platzieren. Dort steht es bis heute.

artline: Die Künstlerin Maximiliane Baumgartner wird den Weg, den Eva Eisenlohr damals ging, in einer performativen Aktion mit Publikum erneut gehen. Der Walk ist Teil des viermonatigen Prologs zur Biennale. Was hat es damit auf sich?

Paula Komoss: Bevor die Biennale-Schau im Sommer mit Arbeiten von zwei Dutzend Kunstschaffenden an sechs Locations in der Stadt  starten wird, wollen wir in mehreren Veranstaltungen schon mal das Lied der Straße anstimmen, um die vielen Dimensionen des Themas ins Bewusstsein zu bringen. Dazu gehört eine Filmreihe mit Roadmovies, Dokumentationen oder künstlerischen Arbeiten wie Chantal Akermans „News from Home“. Zudem laden wir unter dem Titel „Pflaster“ zu Straßengesprächen und erkunden Orte der Emanzipation oder des politischen Kampfes. Wir arbeiten dafür mit lokalen Expert:innen zusammen, die unterschiedliche Bedeutungsschichten der Straße freilegen werden.