Claudia Kübler

Claudia Kübler
Claudia Kübler, Slices of beginning, 2022, und years, yours, 2022, Ausstellungsansicht Kunstmuseum Luzern, Foto: Marc Latzel
Porträt
29. Dezember 2022
Text: Annette Hoffmann

Claudia Kübler: Drei Sekunden vor Mitternacht.

Kunstmuseum Luzern, Europaplatz 1, Luzern.
Dienstag bis Sonntag 11.00 bis 18.00 Uhr, Mittwoch 11.00 bis 19.00 Uhr.
Bis 5. Februar 2023.

www.kunstmuseumluzern.ch
www.claudiakuebler.ch

Claudia Kübler, Seconds, Minutes, Aeons, 2021, und 24/7, Ausstellungsansicht Kunstmuseum Luzern, Foto: Marc Latzel, Courtesy the artist
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Claudia Kübler, The Endless Summer, 2019, schwimmende Installation in derLimmat, Helmhaus Zürich, Foto: Philip Frowein
Claudia Kübler
Claudia Kübler, Regolith II, 2020 (u.m.), Ausstellungsansicht prix mobilière, artgenève, Foto: Philip Frowein

„Im Loch ist es dunkel“ hieß 2018 Claudia Küblers erste Publikation. Das sagt sich so leicht, kann es nicht ausgeleuchtet sein und ist ein Loch noch ein Loch, wenn darin jemand ist, der dessen Dunkelheit bezeugen kann? Claudia Kübler (*1983) jedenfalls hat ein ganzes Archiv an Löchern angelegt. Sie sammelte Darstellungen von Löchern im Grund, Löchern am Haus, Bohrlöchern, Körperlöchern, Löchern in der Kunst, Kratern, Einschusslöchern, Tunnels und Höhlen. Es klingt ein bisschen nach dem Archivkünstler Peter Piller und wie dieser muss die in Zürich lebende Künstlerin, die in diesem Jahr mit dem Manor Kunstpreis Zentralschweiz Luzern ausgezeichnet wurde, eine Affinität zu Printmedien haben. Denn statt der üblichen Lückenbüßer auf Anzeigenplätzen, die nicht verkauft wurden, fand sich bei einer Zürcher Tageszeitung 2012 mehrere Ausgaben lang ein von Kübler gezeichnetes Loch als „Füller“.

Doch was ist mit dem Zeitloch? Die Künstlerin, die in Luzern und Genf zunächst Illustration und dann Kunst studierte, hat ihre Preisträgerausstellung im Kunstmuseum Luzern „Drei Sekunden vor Mitternacht“ betitelt. Und ihre Hauptarbeit dort „Slices of beginning“ dürfte längst erste Löcher aufweisen – wenn nicht gar Risse. Auf schiefen Ebenen hat Claudia Kübler unzählige ungebrannte Tonplatten ausgelegt, die den Tritten der Besucherinnen und Besucher nicht lange standhalten. Sie zerbröseln unter den Schuhen und geraten ins Rutschen. Das Zermalmen der Zeit – Ton ist ein Naturprodukt aus dem erdgeschichtlichen Tertiär oder Quartär – ist eines der Bilder, das Kübler ernst nimmt. Oder genauer: sie nimmt die Bilder ernst, die geprägt wurden, um das Phänomen Zeit überhaupt ansprechen zu können. In „Hic et nunc“ hat sie 2021 rotes Sedimentgestein verwendet, das aus einer Gegend in der Nähe von Johannesburg stammt, die gerne als Wiege der Menschheit bezeichnet wird, weil hier sehr frühe Spuren menschlichen Lebens gefunden wurden. Kübler hat es mit der Hand zermahlen und im Ausstellungsraum zu jenem Icon auf den Boden gesiebt, das auf virtuellen Karten einen Standort markiert. Angesichts des Alters des Gesteins wirkt die lateinische Bezeichnung, die den Augenblick meint, absurd. „Zeit verstreichen“ wäre eine andere Redewendung, die die Künstlerin ganz wörtlich genommen hat. Im Video sieht man, wie der Minutenzeiger ein Ziffernblatt schwarz einfärbt. Der Zeiger bewegt sich mit einer eigentümlichen Geschwindigkeit und verstreicht auf diese Weise schwarze Farbe als Zeichen der vergehenden Zeit.

Claudia Kübler hat die Zeit zu einem Werkstoff gemacht, insofern sie oft mit zeitbasierten Medien arbeitet oder sich die Dauer von Ausstellungen auf das Werk auswirkt und sie sich zudem mit Endlichkeit, Alter und Zeitspannen befasst. In „Seconds, Minutes, Aeons“ von 2021 kommt sie gar zu einer alternativen Zeitmessung. In einer großen weißen Schüssel – auch so ein Loch – liegen drei Stäbe und zwölf Bälle. Es ist nicht zufällig die Anzahl von Zeigern und Stundenziffern. Wird die Schüssel in Bewegung versetzt, reagieren die Objekte unterschiedlich. Mal wirken die Stäbe wie eine Grenze, die die Bälle halten, dann wird alles neu gemischt. Und einen endlosen Sommer versprach eine Arbeit, die 2019 vor dem Zürcher Helmhaus in der Limmat installiert war. „The Endless Summer“ bestand aus zwei Badetüchern, die auf dem Wasser schwammen als würde der Fluss der Zeit nicht an ihnen vorübergehen. Nur, dass der Titel, der 1966 noch darauf anspielte, wie Surfer der Sonne hinterher reisten, heute, angesichts der trockenen Sommer, so gar nicht verheißungsvoll klingt.