Empowerment: Die Feminismen der Welt im Blick

Cao Yu, Dragon Head, 2020, © Cao Yu, Courtesy the artist & Galerie Urs Meile, Beijing-Luzern
Review > Wolfsburg > Kunstmuseum Wolfsburg
28. November 2022
Text: Bettina Maria Brosowsky

Empowerment.

Kunstmuseum Wolfsburg,
Hollerplatz 1, Wolfsburg.
Dienstag bis Sonntag 11.00 bis 18.00 Uhr.
Bis 8. Januar 2023.

www.kunstmuseum.de

Zur Ausstellung ist eine Pubkllikation erschienen: Empowerment, Wolfsburg 2022, 490 S., 7 Euro (im Museum erhältlich).

Yael Bartana, What if Women Ruled the World, 2018, Performance, © Yael Bartana, Courtesy the artist, Foto: Birgit Kaulfuß
Laetitia Ky, pow’hair, 2022, © Courtesy the artist & LIS10gallery
Andrea Bowers, Fight Like a Girl, 2021, Courtesy the artist

[—artline Nord] Wie steht es um die Rechte der Frauen, weltweit? Trotz Be­wegungen, Demonstrationen und Petitionen für die Gleichstellung der Geschlechter kann selbst im 21. Jahrhundert noch nicht von einem umfassenden Erfolg gesprochen werden, auch hierzulande nicht. Das Kunstmuseum Wolfsburg versammelt in seiner großen Übersichtsschau „Empowerment“ auf über 2000 Quadratmetern Fläche nun rund 115 Positionen globaler „Feminismen“, soll heißen: feministisch orientierter Kunst aus der „Vierten Welle“ entsprechender Bewegungen, also ab etwa der Jahrtausendwende.

Sieben als „dynamisch und zugleich fluide“ aufgefasste Themenfelder beschäftigen sich mit stereotypen Erwartungen an den weiblichen Körper, seinen Schändungen, gar gewaltvollem Tod, reichen von weiblichen Narrativen über planetarische Herausforderungen bis hin zu einem Ökofeminismus als globaler Zukunftsperspektive. Fünf internationale Künstlerinnen-Kollektive steuern weitere Beiträge in eigenen kleinen Gasträumen bei, unterstreichen einen generellen Fokus auf den sogenannten Globalen Süden.

Direkt am Eingang beginnt es mit der titelgebenden Selbstermächtigung mittels körperlicher Präsenz. Dabei werden männlich geprägte ästhetische Vorstellungen genauso hinterfragt wie Normen aus dem weißen globalen Norden. Die Techniken differieren. Die ivorische Künstlerin Laetitia Ky nutzt ihr langes, schwarzes krauses Haar, um temporäre, lebende Skulpturen zu formen. Sie erhalten dann die Umrisse zweier kräftiger Oberarme, eines weiblichen Torsos oder eines Uterus, dieser wiederum mit zwei muskulösen Armen versehen. Aus dem rassifizierenden Merkmal einer afrikanischen Frau werden so visuelle Statements gegen Unterdrückung, individuell durchlittene und strukturelle Gewalt. Die Chinesin LIN Tianmiao greift zu einem anderen Requisit traditioneller Weiblichkeit, dem Stickrahmen. Dessen übergroße Versionen versieht sie mit englischen und chinesischen Begriffen, gestickt auf edler Seide, die in der Regel abwertend für Frauen gebraucht werden. Eine spektakuläre und für die Akteurinnen mit hohen Strafen bezahlte Form weiblicher und vor allem politischer Selbstermächtigung war 2012 das Punk-Gebet gegen Putin und die orthodoxe Kirche durch die Performerinnen von Pussy Riot. Mitglied und Polit-Aktivistin Marija Aljochina benennt die Unterschiede zwischen der Kunstszene Russlands und des Westens: Unter Putin kann man der Macht entweder künstlerisch zudienen, oder man nutzt die Kunst als Mittel des Protests. Dazwischen gibt es nichts.

Diese Polarisierung scheint auch systemisch für Beiträge aus dem globalen Süden. Denn dort muss in der Regel nicht nur die Zensur unterlaufen, sondern auch die Rückständigkeit gegenüber selbst minimalen kulturellen Konsensen des Westens angegangen werden. China etwa propagiert nach der Ein-Kind-Politik der 1980er Jahre nun die Vollzeitmutter mit mehreren Kindern: die neue Domestizierung der Frau also anstelle der alten revolutionären Maxime, sie von übermäßiger Reproduktionspflicht zu befreien. Beides aber sind Eingriffe eines totalitären Staates in die Selbstbestimmungsrechte einer Frau. Oder: Weite Teile Südamerikas versinken in Femiziden, Tötungsdelikten allein aufgrund des Geschlechts des Opfers. Die Mexikanerin Teresa Margolles zeigt eine Bildserie vermisster Frauen aus Ciudad Juárez, wie sie dortige Häuserwände bedeckt, Regina José Galindo schlüpft für ihre Fotoperformance in die Kleider ermordeter Frauen aus ihrer Heimat Guatemala. Auch hierzulande gibt es diese Tötungsdelikte, gern als „Beziehungstat“ verharmlost. Aber Gesetzgebung und Ermittlungsbehörden beginnen, ein Bewusstsein für diese Straftaten zu reflektieren. So bleibt die Ausstellung ein wichtiger Überblick über die weltweite Kunstproduktion im Dienste der Frauenrechte. Vor allem aber zeigt sie, wie heterogen die Problemlagen sind.