Barthélémy Toguo: Zwischen den Kontinenten

Barthélémy Toguo, Urban Requiem, 2015, Courtesy the artist
Review > Esslingen > Villa Merkel
10. Oktober 2022
Text: Jolanda Bozzetti

Barthélémy Toguo.
Villa Merkel, Pulverwiesen 25, Esslingen.
Dienstag 11.00 bis 20.00 Uhr, Mittwoch bis Freitag 11.00 bis 18.00 Uhr, Samstag bis Sonntag 11.00 bis 19.00 Uhr.
Bis 23. Oktober 2022.
www.villa-merkel.de

Barthélémy Toguo, Ausstellungsansicht Faith Can Move Mountains, Villa Merkel, 2022, Courtesy the artist

„Faith Can Move Mountains“ lautet der Titel der aktuellen Ausstellung des kamerunisch-französischen Künstlers Barthélémy Toguo (*1967): Hoffnung kann Berge versetzen. Es ist die erste große Soloschau des Künstlers in Deutschland und für Andreas Baur die letzte als langjähriger Kurator und Leiter der Esslinger Villa Merkel. Sie beginnt gleich mit einem Highlight: Im Lichthof ist eine überdimensional große Leiterkonstruktion aufgebaut. Darauf gestapelt verteilen sich massive, mit einer Kettensäge geschnitzte Holzstempel, auf deren Unterseite Schriftzüge eingeritzt sind: „No visa no border no passport“, „Merkel muss weg“, „München HBF“, ist da zu lesen, „Ihre Papiere bitte“, „Balkanroute“, „Aufenthalt Erlaubnis“, „Frontex“ und viele weitere Begriffe und Phrasen. Sie spielen auf die Flüchtlingskrise von 2015 an. Im gleichen Jahr war die Arbeit unter dem Titel „Urban Requiem“ für die Venedig-Biennale entstanden. Die Stempel haben zugleich die Form abstrakter, gesichtsloser Büsten, die auch an Brettspielfiguren erinnern. Das individuelle Schicksal der fliehenden Menschen wird zu einem behördlichen Stempelakt. Im Raum nebenan schafft die Installation aus einem mit Stoffbündeln dicht bepacktem Holzboot, umgeben von grünen Glasflaschen-Wellen, ein weiteres Bild, das unmittelbar Assoziationen zu den Flüchtlingsströmen im Mittelmeer weckt. „Road to Exile II“ lautet der Titel der Arbeit, die sich mit ihren farbenfroh gemusterten afrikanischen Stoffen und einer sehr cleanen Ästhetik ohne jede Gebrauchsspur explizit als museales Werk präsentiert. Ähnlich verhält es sich mit der Stempel-Installation, die beim Blick auf die im Obergeschoss rundum gehängten Emaille-Drucke, auf denen die einzelnen Schlagworte in linearer Abfolge zu lesen sind, an innerer Spannung und Komplexität verliert.

Barthélémy Toguo, der in Abidjan, Grenoble und Düsseldorf studierte, heute in Paris und in Bandjoun, Kamerun lebt und 2021 die Auszeichnung UNESCO Künstler für den Frieden erhielt, bewegt sich thematisch und physisch zwischen den beiden Kontinenten und ihren jeweiligen Kunst-Kontexten. So stellt Andreas Baur fest, dass Toguos Arbeiten „durchaus und notwendigerweise den europäisch geprägten Kunstmarkt bedienen“. Dies trifft sicherlich auch auf die für Esslingen neu entstandene Serie glasierter Keramikvasen zu. Jeweils mit einem Porträt und einem Totenkopf sowie rankenden, ornamentalen Pflanzenmustern bemalt, erinnern sie mit ihren rund zwei Metern Höhe an amphorenartige Vorratsgefäße oder auch an überdimensionierte Urnen. Umgeben sind sie von einer Reihe in Zinganaholz geschnitzten Relief-Porträts, die er dem solidarischen Miteinander der Bewohner:innen der Barackensiedlung Bilongue in Douala gewidmet hat. Dazu feiern zahlreiche, teils großformatige Zeichnungen, mit Tinte und Aquarellfarbe meist monochrom in Blau, Rot, Schwarz oder Grün gemalt, in fließenden und rankenden Formen das Zusammenspiel von Mensch, Tier und Pflanze und mahnen zugleich – in Anbetracht der vielfältigen globalen Krisen – zur Achtung und Erhaltung dieses fragilen, komplexen Organismus.