Solidarität und Profit: Die Freiburg Art Fair im dritten Jahr

Freiburg Art Fair, Installationsansicht Messe Freiburg, 2020, Foto: Martin Kasper
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3. Oktober 2022
Text: Redaktion

Freiburg Art Fair 2022.
Messe Freiburg, Neuer Messplatz 1, Freiburg.
14. bis 15. Oktober 2022.
Freitag 18.30 bis 22.00 Uhr, Sa 11.00 bis 19.00 Uhr.

Künstler:innenliste und weitere Informationen unter
www.faf-freiburg.de

 

Am 14. und 15. Oktober 2022 findet die Freiburg Art Fair statt. Anlässlich der dritten Ausgabe dieser regionalen Künstler:innenmesse sprachen wir mit FAF-Sprecher und -Gründungsmitglied Ben Hübsch über Konzept, Jurierung und Umsetzung des zweitägigen Kunstereignisses.

artline: Die Freiburg Art Fair hat sich 2020 gegründet, Anlass waren die eingeschränkten Ausstellungs- und damit auch Verkaufsmöglichkeiten während der Corona-Pandemie für lokale und regionale Kunstschaffende. Welche Organisationsform hat die FAF?
Ben Hübsch: Die FAF ist derzeit noch eine Gesellschaft des Bürgerlichen Rechts. Sie besteht aus sechs Künstler:innen: Bettina Bosch, Vivian Kahra, Thomas Kitzinger, Martin Kasper, Florian Thate und mir. Im Beirat haben wir Julia Galandi Pascual, Ann-Kathrin Harr und Nikolaus Bischoff. Ob sich die Organisationsform in Zukunft verändern wird, hängt vom Erfolg der dritten Messe ab.

Die FAF findet ja jenseits der Galerien statt. Wie reagieren die Galerien darauf, insbesondere die, die teilnehmende Künstler:inen in ihrem Programm vertreten?
Die Galerien waren die ersten, die wir bereits im Mai 2020 über unsere Messe informiert haben. Wir haben die FAF nie als Konkurrenzprogramm zu den Galerien gesehen. Galerist:innen arbeiten in der Regel mit relativ wenig Künstlern:innen konzentriert über Jahre zusammen, das kann die Messe so nicht leisten. Umgekehrt ist die Anzahl der vertretenen Künstler:innen mit 60 bei der FAF relativ hoch. Die FAF fährt ein bewusst niedrigschwelliges Programm, das auch solche Leute anlocken soll, die sich in der engen Situation mit den Galerist:innen in der Galerie nicht wohl fühlen. Nach anfänglicher Missgunst ist das inzwischen bei allen, die hier am Ort arbeiten, gut angekommen. Galerien können und sollen von unserer Messe profitieren. Es ist die persönliche Angelegenheit zwischen den teilnehmenden Künstler:innen, sich mit den Galerist:Innen über die Verkäufe abzusprechen.

Wie funktioniert eine Messe ohne Galeriekojen? Wie präsentieren sich die Kunstschaffenden vor Ort?
Die Kunstwerke werden so präsentiert, wie sie aus dem Atelier kommen – ohne Inszenierung, ohne spezielle Beleuchtung, ohne zusätzliche Unterhaltung oder Rahmenprogramme. Dennoch wird es zwei verschiedene Präsentationsformen von Kunst geben: Das „Lager“ und die „Wand“.
An den Außenwänden der Halle sind ein Großteil aller Werke auf Bühnenpodesten präsentiert und stehen dicht an dicht nebeneinander. Die Reihenfolge der an der Wand gezeigten Arbeiten folgt dabei dem Anspruch von Abwechslung und Spannung. In der Mitte der Halle werden winkelförmige Präsentationswände aufgestellt. An diesen „Wänden“ können sich Interessierte gemeinsam mit dem Produzent:innen Bilder aus dem „Lager“ holen, um sie isoliert betrachten zu können. Ein idealer Moment, mehr über die Kunst zu erfahren und sich mit der Produzentin oder dem Produzenten auszutauschen. Ein Moment auch, an dem andere Interessierte zu dem Gespräch hinzukommen können, um mehr zu erfahren. Die Besucher:innen werden also aktiv an dem Geschehen beteiligt. So wird für sie unmittelbar erlebbar, dass ein künstlerisches Werk nicht nur Handelsware ist, sondern wie es Ideen und Geschichten transportiert, die Emotionen auslösen.

In der Regel finanzieren sich Kunstmessen durch die Vermietung von Ausstellungsfläche an Galerien. Wie finanziert sich die FAF?
Die FAF arbeitete in den letzten Jahren ehrenamtlich. Die Firma selbst soll keinen Gewinn machen. Unsere Arbeit und unserer Aufwand wird ab diesem Jahr durch entgegenkommende Konditionen von der FWTM (Freiburg Wirtschaft Touristik und Messe) und durch Sponsoren finanziert.

Wie groß ist das Einzugsgebiet der FAF – d.h. von woher kommen die Künstler:innen? Was sind die Kriterien für eine Bewerbung, vor allem für diejenigen, die nicht in Freiburg oder der Region wohnen und arbeiten?
Fast alle teilnehmenden Künstler:innen haben einen direkten Bezug zur Stadt Freiburg (Geburts-, Arbeits-, Wohnort, Studium), fünf überregionale Künstler:innen erweitern das Spektrum. Der Bezug zur Stadt ist ein entscheidendes Kriterium, wir setzen bewusst auf die Regionalität. Dabei soll die lokale Kunstproduktion, die ein breites und qualitativ hochstehendes Spektrum hat, einem breiten Publikum vor Augen geführt werden

Mit 60 Kunstschaffenden sind 2022 mehr Teilnehmer:innen als in den vergangenen Jahren dabei. Sie wurden aus 138 Bewerbungen ausgewählt. Wie verläuft dieses Jurierungsverfahren?
Die Auswahl der 60 Künstler:innen traf eine siebenköpfige Fachjury in demokratischem Abstimmungsverfahren. Hierbei wurden alle Teilnehmer:innen der beiden vorherigen FAF Messen berücksichtigt und die Liste durch weitere Künstler:innen ergänzt.
Um der FAF immer wieder neuen Input zu geben und andere Positionen zu zeigen, wurde dieses Jahr zu ersten mal eine außenstehende Kuratorin gewählt, die Teil der Jury ist und und als Kuratorin für maximal zehn Künstler:innen eine Carte Blanche zur Teilnahme hat. Als Kuratorin fungiert in diesem Jahr Hannah Eckstein, Sammlungsleiterin der Sammlung Grässlin in St. Georgen/Schwarzwald und Kuratorin des Kunstvereins Friedrichshafen. Sie erweitert das Programm um fünf direkt eingeladene Künstler:innen, die keinen Bezug zur Stadt Freiburg haben. Weitere Mitglieder der Auswahljury sind Julia Galandi-Pascual, Ann-Kathrin Harr, Nikolaus Bischoff, Vivian Kahra und Martin Kasper.

Eine Leitidee der Messe, schreibt Schirmherr Stephan Berg, Intendant des Kunstmuseums Bonn, in einem kurzen Grußwort, erinnere ihn an das Lumbung-Motto der diesjährigen Documenta. An der FAF gehe es auch 2022 um das Prinzip des gemeinschaftlichen Teilens. Wie genau funktioniert das im Kontext einer Kunstmesse?
Der Unterschied zu anderen Kunstmessen ist das Solidaritätskonzept der FAF, der gemeinschaftliche Aspekt: Die beteiligten Künstler:innen teilen 30 Prozent ihres Gesamtumsatzes untereinander zu gleichen Teilen auf. Dadurch wird dem bestehenden Konkurrenzdruck unter den Beteiligten die Spitze genommen. Das führte bei den vergangenen Ausgaben insgesamt zu einer sehr guten Atmosphäre, die auch auf die Interessierten übersprang.

Gibt es Kontakte zu bzw. Kooperationen mit anderen, ähnlich aufgestellten Künstler:innenmessen, etwa der Karlsruher Künstlermesse? Gibt es Kooperation mit Freiburger Kunstinstitutionen bzw. sind solche in Zukunft angedacht?
Die Freiburg Art Fair hat keine Kontakte zu anderen Messen. Das Konzept, das aus der Not heraus geboren wurde, zeigt einen ganz neuen Ansatz. Sie hat ein eigenständiges Format, das sich von den etablierten Institutionen neben dem Solidaritätskonzept in einem weiteren Punkt unterscheiden soll und möchte: Die FAF will durch Werkverkäufe für die hiesige Künstler:innenschaft kommerziell erfolgreich sein. Künstler:innen leben nicht von der Luft, sondern benötigen Anerkennung auch in Form von Geld, um überleben zu können. Derzeit möchten wir lernen, auf eigenen Beinen zu stehen und sehen von Kooperationen erst einmal ab.

Die Messe geht in das dritte Jahr. Was ist neu?
Wir arbeiten mit neuen Künstler:innen zusammen, die wir bisher noch nicht zeigen konnten. Auf unserer Homepage wird das Auswahlverfahren transparent gemacht. Das Kulturamt der Stadt Freiburg hat seine Förderung bereits in diesem Jahr bis auf die Plakatierung der Kultursäulen gestrichen. Dennoch haben wir gute Signale von unseren Sponsoren bekommen, die uns weiter unterstützen möchten. Sollte diese Messe erfolgreich sein, werden wir die nächste in 2023 sehr viel früher planen können. Wir träumen von noch viel mehr Besucher:innen.