Michael Beutler: Stardust.
Wilhelm-Hack-Museum, Berliner Str. 23, Ludwigshafen.
Dienstag bis Freitag 11.00 bis 18.00 Uhr, Donnerstag 11.00 bis 20.00 Uhr, Samstag bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr.
Bis 25. September 2022.
www.wilhelmhack.museum
Ausstellungen von Michael Beutler (*1976) brauchen ein lebhaftes Vorstellungsvermögen. Denn ansonsten kann es passieren, dass man sich fühlt wie in Pompeij. Nicht, dass alle Maschinen, Papiere und Skulpturen von einer Ascheschicht, hart wie Beton, bedeckt wären, doch es sind eben alle Spuren von Leben abgezogen und die Relikte der Deutung übergeben. Man muss sich also Beutlers Apparaturen, die in Ausstellungen gleichberechtigt neben dem, was mit ihnen hergestellt werden kann, stehen, belebt vorstellen. Der Berliner Künstler arbeitet vor Ort jeweils mit einem Team zusammen. Die selbst entworfenen und gebauten Werkzeuge, die oft aussehen, als seien sie von der industriellen Revolution unberührt, verlangen bei der Bedienung kaum mehr als ein bisschen handwerkliches Geschick. Und Beutler erweitert seine Kunst dadurch um Themen wie Kollaboration, Autorschaft und Original.
In Ludwigshafen hatte Michael Beutler die Werkstatt in einem Innenhof eingerichtet, der auch während der Laufzeit der Ausstellung zugänglich ist. Hier wurde unter anderem aus alten Katalogen ein Papierbrei hergestellt, von hier hat man einen guten Blick auf das Mosaik von Joan Miró an der Fassade. Ende der 1970er Jahren muss es ein Statement des Optimismus gewesen sein, die Südfront des Wilhelm-Hack-Museum vom katalanischen Künstler gestalten zu lassen. Heute ahnt man, was der Stadt fehlt. Das Wandbild selbst brauchte Handwerker, um es realisieren zu können. Um die mehr als 7000 farbigen Fliesen zu brennen, wurde in der Nähe von Barcelona eigens ein Ofen gebaut. Die Fliesen wurden dann nach Deutschland transportiert, um sie an der Fassade anzubringen. Michael Beutler ist es ein Anknüpfungspunkt. Da ist einerseits eine Hochachtung gegenüber dem Bauhandwerk – obgleich seine Arbeiten oft so rudimentär wirken. Andererseits haben sich die Farben der großformatigen selbst geschöpften Papiere, die im Wilhelm-Hack-Museum auf dem Boden ausliegen, an denen der Fassade orientiert. Neben Weiß und Schwarz sind es die Elementarfarben. Bei Beutler gehen sie ins Pastell, es ist diese Differenz, die Beutlers Arbeiten ausmacht und mit der er sich von der Genauigkeit und Perfektion der Vorbilder unterscheidet. Gleich mehrfach zeigt sich in seiner Ludwigshafener Ausstellung „Stardust“, wie architektonisch sein Werk ist. Einzelne Modelle von verwirklichten Arbeiten stehen im oberen Stockwerk im Kabinettstück „Abstrakte Räume“ neben Entwürfen von Konstruktivisten. In die große Halle unten hat er in die verschalten Wände Löcher gesägt, so dass man einen Einblick in die Architektur bekommt. Man schaut auf Stauräume für die Technik. Vor allem jedoch werden aus den einfachen Materialien – manchmal stammen sie aus dem Baumarkt, manchmal werden sie recycelt – Baustoffe, die selbst schon dreidimensional sind; sie ergeben sobald sie verbaut werden, einen Architekturkörper. Aufgeblasene Papierkugeln sind auf dem Boden verstreut, sind aber auch Füllmaterial und zugleich Fassade für eine Wand. Oft sind Beutlers Installationen benutzbar, doch mitunter sind es Gedankenspiele und Denkbilder: Follies, die die Architekturgeschichte zitieren, doch vor allem sind sie ein autonomes Werk. In Ludwigshafen sind verschieden feine Siebe, Maschendrahtzaun auf Keilrahmen, zu sehen. Mehrere Lagen Japanpapier sind übrig geblieben. Auf dem Boden stapeln sich noch Ausgaben der sardischen Tageszeitung „L’Unione Sarda“. Fässer stehen herum, in denen der Papierbrei gerührt wurde. In einer Art Lager sind weitere Siebe in die Regalböden geschoben, leicht gewelltes Papier von unterschiedlichen Farben mit angerauter Oberfläche liegen übereinander.
Anders als Michael Beutlers große Überblicksschau „Moby Dick“ im Hamburger Bahnhof 2015 ist „Stardust“ kein anarchischer Spielplatz mit Räumen und Werken, die man betreten oder sogar benutzen kann. Die Ausmaße der Halle im Wilhelm-Hack-Museum sind mehr der Bezugsrahmen für die Arbeiten als die Bühne, auf der sie passieren.