Kilian Rüthemann

Kilian Rüthemann, Far Scratch, 2021, Foto: Sebastian Schaub, Courtesy the artist
Porträt
Text: Annette Hoffmann

Kilian Rüthemann mit Michael Günzburger.
Gluri Suter Huus, Bifangstr. 1, Wettingen.
Mittwoch bis Samstag 15.00 bis 18.00 Uhr, Sonntag 11.00 bis 17.00 Uhr.
14. August bis 25. September 2022.
www.glurisuterhuus.ch

Kilian Rüthemann: High Low.
Vebikus Kunsthalle, Baumgartenstr. 19, Schaffhausen.
Donnerstag 18.00 bis 20.00 Uhr, Freitag 16.00 bis 18.00 Uhr, Samstag bis Sonntag 12.00 bis 19.00 Uhr.
Bis 17. Juli 2022.
www.vebikus.ch
ruethemann.net

Kilian Rüthemann, Prozessbild zur Wettinger Ausstellung, Foto: Sebastian Schaub, Courtesy the artist
Kilian Rüthemann, Foto: Judith Kakon
Kilian Rüthemann, Shelter, 2021, Foto: Sebastian Schaub, Courtesy the artist

Markant nennt man Gebäude wie das Gluri Suter Huus gerne. Vor allem dann, wenn sie zweckentfremdet wurden. Als das Haus 1741 erbaut wurde, war es natürlich nicht dazu gedacht, einmal eine Kunstinstitution zu beherbergen. Auch innen ist es ein Fachwerkhaus und kein White Cube. In den 1960er Jahren wurde es saniert, seit 1972 ist es das Ausstellungshaus der Gemeinde Wettingen. Und dies wird in diesem Jahr gefeiert.

Kilian Rüthemann (*1979) ist jemand, an den man denkt, wenn es markant wird. „Aktuell sind die Räume in einem sehr unruhigen Zustand. Meine Absicht ist es, sie abermals umzubauen, vorgefertigtes, aber auch vor Ort geschaffenes Mobiliar zu präsentieren, dabei die bereits bestehenden Elemente der Originalstruktur zu benutzen oder mich darauf zu beziehen“, beschreibt Rüthemann das Konzept seiner Ausstellung im Gluri Suter Huus. Der Basler Künstler scheut weder schwierige Räume noch die schiere Physis von Materialien. Räume sind für ihn Grundvoraussetzungen, überhaupt etwas schaffen zu können. Und als ausgebildeter Steinmetz verfügte er bereits während seines Studiums an der Basler Hochschule für Gestaltung und Kunst über die handwerklichen Kenntnisse, sie zu bändigen. Während der Betrachter sich also bereits um Statik und Stabilität sorgt, hat Rüthemann es im Griff, dass die überlange Metallplanke nicht aus der Verankerung reißt oder dass seine Eingriffe nicht die Funktion der Wand beeinträchtigen. „Team Gravity“ hat er 2016 eine Reihe von farbigen Silikon-Wandarbeiten genannt, die durch die Schwerkraft zur Skulptur wurden. Sie wölbten sich nach vorne oder zur Seite. Der Titel wies auf ironische Weise darauf hin, dass Gravität immer noch die wirkungsvollste bildhauerische Geste ist.

Auf seine Weise mag auch Kilian Rüthemanns Arbeit mit dem Raum markant sein, doch seine Interventionen lassen sich zurückbauen. Das Werk vollzieht sich im Prozess. In den letzten Jahren sind einige permanente Installationen entstanden. Zuletzt auf dem verkehrsreichen Schulhausplatz in Baden, wo er 2018 die Skulptur „Stack“ verwirklichte. Sie besteht aus 520 aufeinander gestapelten Gummischeiben. Dass sie in Baden zunächst nicht nur Freunde fand, ist fast schon wieder lustig, schließlich regt sich an diesem Platz kaum jemand über Gummi auf, wenn darüber eine Karosserie montiert ist. Der Titel jedenfalls lässt sich als Anspielung auf Donald Judd und den Minimalismus lesen, mit dem sich der Bildhauer intensiv auseinander gesetzt hat. Während dieser jedoch mit industriellen Modulen arbeitete, um der Kunst das Pathos auszutreiben und einen cleanen Look zu erzeugen, scheint Rüthemann das Material zu beleben. Sobald man die von der Wand in den Raum ragende Latte aus gewalztem Stahl bewegte, geriete sie ins Schlingern, als bestände sie nicht aus fester Materie. Erkalteter Karamell wurde von den Ausstellungsbesuchern zu kleinen Splittern zerstoßen, indem sie über die Fläche liefen. Und manchmal wird das Material auch grundsätzlich neu interpretiert. „Shelter“ hieß 2021 eine fast schon ornamentale Installation auf der Wiese beim Atelier Hermann Haller in Zürich. Die mit Sand gefüllten Säcke werden eigentlich für Notunterkünfte für Flüchtlinge benutzt. Auf dem Grün wirkten sie wie eine fast schon verspielte Verbindung zwischen Kunst und Natur.