Landpartie. Teil I

Christian Hörler, Lichtmass Richtung Meer, 2022, Installationsansicht an der Biennale Bregaglia 2022 in Vicosoprano, Courtesy the artist, Foto: Michael Gilgen
Thema
4. Juli 2022
Text: Redaktion

Biennale Breaglia 2022, Vicosoprano.
Bis 24. September 2022.
www.biennale-bregaglia.ch

Max. 5 Grussworte, Castasegna.
Bis 25. August 2022.
www.sala-viaggiatori.ch

Emmanuel Rossetti, Abbatiale Bellelay,
2. Juli bis 11. September 2022.
www.abbatialebellelay.ch

vonWegen, Kulturort Weiertal.
Bis 4. September 2022.
www.galerieweiertal.ch

Arbeit von Notta Catfisch bei der Schau vonWegen im Weiertal, Foto: Maja von Meiss
Arbeit von Katharina Anna Wieser bei der Schau vonWegen im Weiertal, Foto: Maja von Meiss

Biennale Bregaglia 2022, Vicosoprano
In Vicosoprano laufen alle Fäden zusammen. Der 450-Seelen-Ort ist das größte der Bergelldörfer. Und auch die von Bigna Guyer und Anna Vetsch kuratierte Biennale Bregaglia 2022 hat hier ihr Zentrum. Sie befasst sich in diesem Jahr – ausgehend von Vicosoprano – mit Verbindungen, wie sie von Geografie, Ereignisse und Entwicklungen geschaffen werden.

Die zwölf beteiligten Künstlerinnen und Künstler setzen hier ganz unterschiedlich an. So befasst sich das Künstlerduo Rico Scagliola & Michael Meier mit den Dorfläden, die die Bewohnerinnen und Bewohner mit den Dingen des alltäglichen Lebens versorgen. Christian Hörler zeigt sich von der Tradition des Handwerks im Bergell fasziniert. Ihm sind die Trockenmauern aufgefallen, zwischen die er einen Quader aus einem Stein der Umgebung gesetzt hat, darüber hinaus thematisiert er das Problem der Erosion. Und Val Minnig vergisst auch die Tiere nicht. Die Installation der Bündner Künstlerin auf dem Balkon einer der charakteristischen Ställe ist nur für Tiere.

Lena Maria Thüring hingegen erinnert mit ihrer Videoarbeit „Down the river“ an die Hexenprozesse im nahen Municipio, die dort vom 16. bis 18. Jahrhundert stattfanden. Wasserläufe und Kräuter können für das naturnahe Leben in den Dörfern stehen, die Tonspur setzt sich aus den Fragen der Verhörprotokolle zusammen. Jene kräuterkundigen Frauen, die in die Fänge der Inquisition gerieten, hätten heute gute Chancen Naturkosmetik zu machen. Im Bergelldorf Soglio werden mittlerweile Kräutermischungen, Seifen und Düfte produziert. Lena Maria Thüring hat dies aufgegriffen und zusammen mit den Parfümeuren einen Duft für den Ausstellungsraum entwickelt.    

vonWegen, Kulturort Weiertal
Der Titel der diesjährigen Ausstellung im Kulturort Weiertal „vonwegen“ ist durchaus doppeldeutig. Es sind einerseits die Wege, die Natur von Landschaft unterscheiden, andererseits setzt Kunst – gerade im öffentlichen Raum – ein „von wegen“ der Selbstbehauptung. Die 19 Arbeiten, die im Weiertal zu entdecken sind, befassen sich mit Wegführungen, auch mit Grenzen und Übergängen, die tatsächlich betreten werden können. Notta Caflisch bezieht sich mit „For they ran much faster than I could go“ auf den Fortschrittsoptimismus, der angesichts des Klimawandels nicht mehr ganz so ungebrochen ist. Die Speichen eines Rades enden in Turnschuhen, die einfach immer weiter laufen. Andrea Wolfensberger erinnert mit ihrer Skulptur, die Schallwellen visualisiert, an den Ruf der Waldkäuzchen und an alle anderen Vögel, die bedroht sind.    

Max. 5 Grussworte, Castasegna
Dass es im Bergell besonders schön ist, weiß die Welt. Und dies nicht allein vom Hörensagen, denn Bilder sagen mehr als Worte. Gut 3.000 Postkarten, die nach überall hin verschickt wurden, gibt es mindestens von diesem Landstrich. Die Ausstellung „Max 5 Grussworte. Das Postkartenbergell. Geschichte der Ansichtskarte“ zeigt, warum Ansichtskarten eine Erfolgeschichte waren, aber auch, was unter anderem Judith Albert, Hans Danuser, Sonja Feldmeier und huber.huber aus diesem Idyll gemacht haben. Erweitert werden ihre Arbeiten durch Eva Leitolfs Archivarbeit „Postcards from Europe“, die sich mit Immigration befasst. Sie ist am rechten Platz, der Ausstellungsort war früher eine Zollstation. Galerist und Kurator Luciano Fasciati hat den Pavillon, der von Bruno Giacometti entworfen wurde, mit Kunst neu belebt.     

Emanuel Rossetti, Abbatiale Bellelay
Die Abtei Bellelay war schon vieles, nachdem sie im 12. Jahrhundert durch Prämonstratensermönche gegründet wurde. Im Mittelalter lebte das Kloster von den Einnahmen der Ländereien und der Weinberge. Nach der Revolution ging es dort weltlicher zu. Die Anlage beherbergte eine Brauerei, eine Glashütte und eine Uhrenmanufaktur. Kunstausstellungen gibt es hier schon seit mehr als 50 Jahren, seit 2008 stehen sie in Auseinandersetzung mit der barocken Architektur. In den Nebengebäuden fand eine psychiatrische Klinik Platz. Nun steht ihr Auszug bevor. Und die Ausstellung von Emanuel Rossetti „Beatitude“ setzt hier eine Zäsur, insofern er sie als eine „mentale und geografische Landschaft durch jurassische Berge“ versteht. Doch der Basler Künstler ist nicht allein durch das Jura gewandert – die Fotoreihen, die in der Abtei und im Garten zu sehen sein werden, gehen darauf zurück. Er hat zusammen mit Stefan Tcherepnin eine Soundarbeit entwickelt, die mit Verzerrungen, Überlagerungen und sensorischen Entkoppelungen auf ihre Weise die Vielfalt und Brüchigkeit dieses Ortes widerspiegelt.