Emmanuel Van der Auwera, Seeing is Revealing: Täuschungsmanöver

Emmanuel Van der Auwera, The Sky is on Fire, 2019, Videostill, Courtesy the artist
Review > Basel > Haus der elektronischen Künste
1. Juli 2022
Text: Annette Hoffmann

Emmanuel Van der Auwera, Seeing is Revealing.
HEK, Freilager-Platz 9, Basel-Münchenstein.
Mittwoch bis Sonntag 11.00 bis 17.00 Uhr.
Bis 7. August 2022.
www.hek.ch

Emmanuel Van der Auwera, The Sky is on Fire, 2019, Videostill, Courtesy the artist
Emmanuel Van der Auwera, The Sky is on Fire, 2019, Videostill, Courtesy the artist

Der Titel von Emmanuel Van der Auweras Ausstellung im Basler Haus der elektronischen Künste (HEK) „Seeing is Revealing“ klingt nach einer einfachen Botschaft. Als müsste man nur genau genug hinsehen und jedem Betrug sei damit ein Ende gesetzt. Nun ist seit Platons Höhlengleichnis gar nicht so einfach zu klären, was man da eigentlich sieht. Zumal Van der Auwera (*1982) Spiegelflächen als integralen Teil seiner Kunst einsetzt. Sehen wir die Täuschung und wenn wir sie enthüllen, die eigentliche Wirklichkeit?

Bei den „VideoSculptures“ des belgischen Künstlers laufen die Videos nicht etwa auf einem Bildschirm, dieser ist vielmehr so manipuliert, dass sie lediglich auf den darunter liegenden Spiegelflächen zu erkennen sind. Meist zudem verfremdet, wie etwa die rosafarbenen Schemen von Stockfotos, auf die Van der Auwera im Netz stieß, nachdem er Begriffe wie Trauma, Einsamkeit und unglückliche US-Marines in die Suchmaschine eingegeben hatte. In „VideoSculpture (Shudder)“ sieht man nun Soldaten auf einem Sandhügel, vermutlich von einem Einsatz kommend, einen gelähmten Veteranen, der seine Familie umarmt und einen Mann, der sein Gewehr schultert. Van der Auwera misstraut diesen Bildern zutiefst, da sie Gleichmacher sind, wie er sagt. Für die Rauminstallation „NSJ“ aus diesem Jahr hat er Filmmaterial von Überwachungskameras verwendet, sie zeigen die sozialen Unruhen in den USA in Folge der rassistischen Übergriffe auf Schwarze. Menschen dringen in Läden ein und plündern, andere steigen auf Autos und demolieren sie. Emmanuel Van der Auwera führt den Einsatz von KI bei der Identifizierung von Gewalttätigen vor. Auf den drei Projektionsflächen sind die Vorgänge unterschiedlich dargestellt, einmal markieren weiße Linie die Umrisse, das andere Mal sind die Körper bunt eingefärbt und dann sieht man Bewegungsprofile.

Emmanuel Van der Auweras Impuls ist so politisch wie moralisch. Er reagiert mit seinen Arbeiten auf gesellschaftliche Entwicklungen wie die Fetischisierungen von Waffen in den USA trotz der vielen Amok­läufe. In diesem Jahr hat er in ballistischem Gel – das die gleiche Dichte wie der menschliche Körper hat – dokumentiert, was passiert, wenn eine Kugel in das Material eintritt. Besonders bei Gewehren ist die Wirkung verheerend, denn die Kugel explodiert, so dass kleine Splitter in das Gewebe eindringen. Zwei transparente Blöcke stehen im HEK auf Sockeln und hier stimmt es ja wirklich: das Sehen und Enthüllen. Als in Florida das Schulmassaker von Parkland passierte, bei dem 17 Menschen starben, befand sich Emmanuel Van der Auwera auf einem Stipendienaufenthalt in den USA. Er filmte dort in der Nähe die typische Vorortarchitektur: ein Supermarkt mit geparkten Pick-ups und Geländefahrzeugen, einen Park mit Bäumen mit dicken Wurzeln, eine Mulde. Für „The Sky is on Fire“ hat er eine App eingesetzt, die die zweidimensionalen Bilder in eine räumliche Illusion verwandelt. Je weiter das 3-Kanal-Video fortschreitet, desto ruinöser wird die Umgebung. „Wir sind vergänglich, doch was wir machen, wird uns überdauern“, sagt ein Mann in einem eingefügten Video. Die Streaming-Plattform, auf der Van der Auwera es fand, gibt es längst nicht mehr.