Dora Budor: Continent. Gegen die Architektur arbeiten

Dora Budor, Chase Manhattan, 2021–2022, Installationsansicht Kunsthaus Bregenz, Foto: Markus Tretter,Courtesy the artist, © Dora Budor, Kunsthaus Bregenz
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29. April 2022
Text: Brigitte Kompatscher

Dora Budor: Continent.
Kunsthaus Bregenz, Karl-Tizian-Platz, Bregenz.
Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr, Donnerstag 10.00 bis 20.00 Uhr.
Bis 26. Juni 2022.
www.kunsthaus-bregenz.at

Dora Budor, Kollektorgang (XV – XXIV), 2021, Installationsansicht Kunsthaus Bregenz, Foto: Markus Tretter,Courtesy the artist, © Dora Budor, Kunsthaus Bregenz
Dora Budor, 27 Male Molds, 2021, Installationsansicht Kunsthaus Bregenz, Foto: Markus Tretter,Courtesy the artist, © Dora Budor, Kunsthaus Bregenz

Viel zu sehen ist nicht in der neuen Ausstellung im Kunsthaus Bregenz. Die Künstlerin Dora Budor, die 1984 in Zagreb geboren wurde, ein Architekturstudium absolviert hat und heute in New York lebt, hat sich für „Continent“ mit der Architektur des Hauses, das sie als Organismus, als Körper begreift, auseinandergesetzt. Davon ausgehend hat sie Werke erarbeitet, die in den oberen Stockwerken des Hauses gezeigt werden und den größten Teil der Schau bilden. Insgesamt aber ist noch viel Platz in den Ausstellungsräumen.

Im Erdgeschoss präsentiert sie ihre Arbeit „Something to Remind Me“. Auf einem kleinen Podest liegen einige Ringe. Ausgangsmaterial dafür war ein Leihrad, das sie während eines Aufenthalts in Berlin 2020 benutzt hatte und anschließend einschmelzen ließ. Damit machte sie Abgüsse der Skulptur bzw. des vermutlich ersten Readymade „Enduring Ornament“ aus dem Jahr 1913 von Elsa von Freytag-Loringhoven.

„Kollektorgang“ ist der Titel der aus drei Skulpturen bestehenden Arbeit im ersten Stock. Es sind drei große Wände aus Latex, geschreddertem Papier auch aus dem KUB-Verwaltungsgebäude, Wasser, Zement, Holz und Metall. Ausgangspunkt dafür war ein „Tunnel“, bzw. der unterirdische Kollektorgang des Kunsthauses, den Dora Budor bei ihren zahlreichen Besuchen in Bregenz entdeckt hatte. Dort befinden sich sogenannte Schlitzwände, die ein Einstürzen der angrenzenden Gebäude vermeiden sollen sowie das von Pfänder und Bodensee kommende Sickerwasser kontrollieren. An ihren Wänden hat Budor außen Latexabdrücke der Schlitzwände angebracht. Das, was unten ist, kommt somit nach oben. Die Objekte sind so aufgestellt, dass sie die Eingänge „versperren“. Ihre Gesamtlänge von 29 Metern entspricht indes der Länge und Breite der Grube, die für das Fundament des Gebäudes ausgehoben wurde, hieß es.

Im zweiten Stock sind auf dem Boden kleine runde, schwarze Objekte verteilt, die auf den ersten Blick wie Eishockey-Pucks ausschauen. Sind es auch oder doch nicht ganz. Für die Arbeit „Pucks (bagarreurs)“ hat Budor Kaffeesatz aus dem KUB-Café verwendet und mit Kunststoff und Wachs zu Scheiben gepresst. Energie, Bewegung, Geschwindigkeit sind die Themen, die sich aus dem Zusammenspiel von Körper, Koffein und Eishockey ergeben. Im selben Stock ist auch noch eine Videoarbeit zu sehen, die sie gemeinsam mit Noah Barker gemacht hat. Darin folgen die beiden einem Lkw in Manhattan, der beim Abriss des JP Morgan Chase Wolkenkratzers Bauschutt transportiert.

Mit dem Belüftungssystem des Hauses, der Atmung arbeitet Budor in „Termites“ im letzten Stock. In den Rohren sind ferngesteuerte Sexspielzeuge, die Vibrationen erzeugen. Diese Schwingungen kommen wieder in den Ausstellungsraum. „Male Molds“, ein technischer Ausdruck, wie Budor erklärte, nennt sich indes eine Gruppe von 27 Holzobjekten, die in einer Ecke in diesem Raum stehen. Sie stammen aus einer Eisengießerei in Berlin, waren ursprünglich Negativformen und hatten keine Funktion mehr. An einer Wand finden sich dann noch kleine Bilder. Dabei handelt es sich um Arbeiten auf Sandpapier, „Love Streams“ ist der Titel. Darauf erfolgten Abreibungen mit dem Staub von zerriebenem Escitalopram, eines selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmers.

Für  Budor bezieht sich der Ausstellungstitel „Continent“ nicht nur auf die Erdteile, sondern auch auf ein Behältnis oder eine Körperfunktion.  Was bei dieser Ausstellung allerdings auffällt, ist die Leere in den einzelnen Räumen, und die tut auch den Objekten nicht gut. Eine kompaktere Präsentation hätte den Fokus vermutlich viel mehr auf die Arbeiten gerichtet. So wirken sie teils ein wenig verloren und können der Dominanz der Architektur des Hauses wenig entgegensetzen.        

Der Beitrag erschien zuerst in Neue. Vorarlberger Zeitung, 18. März 2022.