Louise Bourgeois x Jenny Holzer: Zu keinem Ende kommen

Louise Bourgeois, The Destruction of the Father, 1974-2017, Collection Glenstone Museum, Potomac, Maryland, © ProLitteris, Zürich, Foto: Johee Kim
Review > Basel > Kunstmuseum Basel
29. März 2022
Text: Annette Hoffmann

Louise Bourgeois x Jenny Holzer.
Kunstmuseum Basel, St. Alban-Graben 16, Basel.
Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr, Mittwoch 10.00 bis 20.00 Uhr.
Bis 15. Mai 2022.
Zur Ausstellung ist ein Künstlerinbuch erschienen: JRP/Editions, Genf 2022, 296 S., 70 Euro | ca. 75 Franken.

Louise Bourgeois, Self Portrait, 1942, Foto: Zindman Fremont, © The Easton Foundation, Licensed by ProLitteris & VAGA at Artists Right Society, New York
Louise Bourgeois in ihrer Wohnung, 20th St., New York, 2004, Foto: Pouran Esrafily © The Easton Foundation, Licensed by ProLitteris & VAGA at Artists Right Society, New York

Fotos von Louise Bourgeois‘ New Yorker Wohnung zeigen Wände, auf denen Zettel übereinander gepinnt sind, Plakate von einem Skulpturensymposium, persönliche Fotografien und zwischendrin immer mal wieder Gouachen. Bücher, die keinen Platz in den Regalen fanden, stapeln sich am Boden. Jenny Holzer (*1950) lernte die französischstämmige Künstlerin in den 1980er Jahren kennen. Obgleich die beiden Frauen nicht der gleichen Generation angehörten, gab es Übereinstimmungen. Das Interesse an Texten, Weiblichkeit und Sexualität. Und nicht zuletzt: wer mit Sprache arbeitet, hat ein Bewusstsein von Macht, sagte Holzer auf der Pressekonferenz zu der von ihr kuratierten Ausstellung „Louise Bourgeois x Jenny Holzer“ im Kunstmuseum Basel.

Eigentlich hätte das Projekt an der früheren Wirkungsstätte von Josef Helfenstein, der Menil Collection in Houston, verwirklicht werden sollen. Doch die Berufung zum Direktor des Kunstmuseum Basel kam dazwischen, und während der Pandemie reifte die Idee derart, dass die Ausstellung jetzt auch auf die Sammlung übergreift. Der eigentliche Kern ist jedoch der Sonderausstellungsbereich im Neubau. Dort findet sich auch eine Wand, die ganz mit handschriftlichen Texten von Louise Bourgeois ausgekleidet ist. Manche Sätze bilden eine Spirale und unterscheiden sich so von den anderen Blättern, andere sind farbig, so dass sich ein Treppchenmuster über die gesamte Wand ausbreitet. Man kann mutmaßen, dass sich Holzer unmittelbar von den Räumlichkeiten von Louise Bourgeois‘ New Yorker Wohnung zu dieser Hängung anregen ließ. Holzer selbst nimmt sich völlig zurück. In der von ihr kuratierten Schau findet sich von der Künstlerin Jenny Holzer kein einziges Bild, keine Installation. In der ersten Woche waren im Stadtraum lediglich ein paar Projektionen zu sehen. Mit Sätzen von Louise Bourgeois.

Im Hinblick auf die Basler Schau hatte sich ein ganzes Team die Schriften von Bourgeois vorgenommen, es ist noch zu keinem Ende gekommen. Ihre Texte sind im Umfeld einer Psychoanalyse entstanden. So sind auf den Blättern etwa Träume festgehalten. Der Rundgang zeigt aber, dass der Drang groß gewesen sein muss, alles zu benennen. Den Körper, seine Organe, seine Extremitäten, Gemeinplätze, Zitate. Wenn ihre Spinnen-Mamans in der Lage waren, einen seidenen Faden zu produzieren, Bourgeois oft mit dem Material ihrer eigenen Mutter, die historische Stoffe restaurierte, arbeitete, so floss aus ihrer eigenen Hand eben auch ein Faden. Es ist der der Handschrift. „The Violence of Handwriting across a Page“ heißt dann auch die Begleitpublikation. Holzer macht auf diese Verwandtschaft aufmerksam und dass die Schrift alles einbindet, das Verhältnis zu den Eltern, zur Welt. Sie deutet hier nichts aus, die von ihr inszenierten Räume halten sich mit Informationen zurück, es geht ihr um die unmittelbare Wirkung des Werkes. Eine der Räume ist ganz in Rot gehalten. Die Skulptur „Nature Study“, eine kauernde Gestalt ganz mit Brüsten wie die Diana von Ephesus behangen – oder sind es doch Hoden? ‒, ist umrahmt mit Gouachen, die erotisch aufgeladene Pflanzen zeigen. In einem Raum ist „The Destruction of the Father“ eingerichtet: eine rote Höhle oder Hölle, in deren Zentrum ein Tisch steht, umringt von einer Art Steine, die sich auch am Gewölbe wiederholen. Das Klaus­trophobische wird noch unterstützt durch zwei hängende dunkle Figuren an der Decke, die von Gurten gehalten werden. Anderes ist heiterer, auch wenn die Bedeutungen düster sind. Auf Kopfkissen sind christliche Botschaften gestickt, die einmal mehr das Thema der Schuld in den Fokus rücken. Und in einem anderen Raum dreht sich ein Tüllrock um sich selbst, weil, so erklärt eine Schrift am Saum, die Furcht die Welt in Bewegung hält. Es ist ein dichter, stark atmos­phärischer Parcours, der hier durch das Werk gelegt ist. Und wer dann noch die Sammlung besucht, kann erleben, dass die beiden Künstlerinnen für manchen derben Witz zu haben sind.