Carrie Mae Weems

Carrie Mae Weems, aus der Serie „Woman in White“, 1992, © Carrie Mae Weems, Courtesy the artist & Jack Shainman Gallery, New York
Porträt
23. März 2022
Text: Annette Hoffmann

Carrie Mae Weems: The Evidence of Things Not Seen.
Württembergischer Kunstverein, Schlossplatz 2, Stuttgart.
Dienstag, Donnerstag bis Sonntag 11.00 bis 18.00 Uhr, Mittwoch 11.00 bis 20.00 Uhr.
2. April bis 10. Juli 2022.
www.wkv-stuttgart.de
carriemaeweems.net

Carrie Mae Weems, aus der Serie „Roaming“, 2006, © Carrie Mae Weems, Courtesy the artist & Jack Shainman Gallery, New York
Carrie Mae Weems, aus der Serie „Constructing History: A Requiem to Mark the Moment“, 2008, © Carrie Mae Weems, Courtesy the artist & Jack Shainman Gallery, New York
Carrie Mae Weems, The Glenstone #1, 2018, aus der Serie „Constructing History: A Requiem to Mark the Moment“, 2008, © Carrie Mae Weems, Courtesy the artist & Jack Shainman Gallery, New York

Wenn eine Fotografin ihre Ausstellung „The Evidence of Things Not Seen“ nennt, hat das Einiges für sich. Denkt man doch an den Prozess des Entwickelns, wenn die Chemikalien etwas zutage bringen, das da war, aber bislang unsichtbar. Doch Carrie Mae Weems ist nicht allein Fotografin noch hat sie den Titel, mit der ihre Retrospektive im Württembergischen Kunstverein überschrieben ist, selbst geprägt. Er geht auf James Baldwin und seinen langen Essay über den Prozess gegen Wayne Williams zurück, der 1982 angeklagt wurde, zumindest für zwei der Kindermorde von Atlanta verantwortlich zu sein. Zwischen 1979 und 1981 starben dort 30 afroamerikanische Kinder und Jugendliche. Man fand ihre Leichen abgelegt wie Müll in Straßengräben und an verwaisten Orten. Die Thesen eines Serienmörders und von Hasskriminalität standen im Raum, doch als man den Schwarzen Williams aufgriff und die Ermittlungen stockten, stellte man sie ein. Auf Deutsch heißt Baldwins Text „Das Gesicht der Macht bleibt weiß“, um die Erwartungen eines eben solchen Publikums zu lenken. Der Originaltitel jedoch übernimmt einen Satz aus einem Paulusbrief: „Es ist aber der Glaube eine gewisse Zuversicht des, das man hofft und ein Nichtzweifeln an dem, was man sieht.“

Sichtbarmachung ist für eine Künstlerin wie Carrie Mae Weems (*1953), deren Werk nicht allein in den USA sehr präsent ist, durchaus ein Thema. Bevor sie Kunst und Design studierte, arbeitete sie als Tänzerin. Sie ist gleichermaßen im akademischen Bereich als auch in der Popkultur zuhause. In einem Interview hat sie einmal über schwarze Körper gesagt, das man sie nicht anschauen können ohne an Race zu denken, zumindest in Amerika. Und Weems, die sich tatsächlich in ihrem Werk oft selbst inszeniert hat, erschafft ja etwas, deren Teil sie ist. Die fotografische Komposition sei, so sagt sie, ein Versuch, im Werk das Gefühl zu schaffen, gleichzeitig innen und außen zu sein. Rückblickend hat sie in „The Kitchen Table Series“ von 1990 das Performative erkannt. So porträtiert sie sich selbst im Verhältnis zu ihr nahe stehenden Menschen und charakterisierte sich so als Frau in einem Beziehungsgeflecht. Was sie über Race gesagt hat, dürfte auch für Geschlecht gelten. In ihrer neueren Arbeit „Museums“ sieht man sie als eine Rückenfigur, wie man sie aus der Romantik kennt, vor bekannten Museen, in denen schwarze Menschen wie sie eher selten als Sujet vorkommen.

Für „From Here I Saw what Happened and I Cried“ arbeitete sie mit Found Footage. Weems hat Mitte der 1990er Jahre auf Aufnahmen des 19. und 20. Jahrhunderts von schwarzen Männern und Frauen zurückgegriffen, unter anderem von Sklaven und Sklavinnen. Die Fotos stammen aus verschiedenen Archiven. Weems hat sie vereinheitlich, so dass die Menschen ein wirkliches Gegenüber werden. Und sie hat sie in Blutrot getaucht und Aussagen wie „You become a scientific profile“ oder „a negroid type“ darübergelegt. Vor allem jedoch hat sie die Fotos kreisförmig zugeschnitten. Niemand soll übersehen können, dass die Kameralinse die Menschen zu Objekten gemacht hat. Das weiße Amerika sah sich selbst im Verhältnis zum schwarzen Objekt, hat Weems selbst diese Arbeit kommentiert und dass sie denen, die in der Vergangenheit keine Stimme hatten, eine solche geben möchte. Anfang und Ende bilden das Porträt einer Frau der Mangbetu mit Namen Nobosodrou. Sie trägt eine helmartige Frisur, die an die hohe Krone von Nofretete erinnert. In Beyoncés Video zu „Sorry“ spielt die Sängerin mit dieser Haartracht, wie sie sich überhaupt mit einem weiblichen Hofstaat umgibt, der weiße Gesichts- und Körperbemalungen sowie aufwändige Frisuren trägt, während Beyoncé ihren untreuen Mann von einem Thron herab anspricht. Dass so etwas möglich ist, verdankt sich auch Carrie Mae Weems.