Ursula Palla

Ursula Palla, Whiteout 2, 2020, Videostill, courtesy the artist
Porträt
25. Februar 2022

Ursula Palla: Nowhereland
Bündner Kunstmueum, Chur.
19. Februar bis 29. Mai 2022.
www.buendner-kunstmuseum.ch

Ursula Palla: Like a Garden.
Kunst(Zeug)Haus, Rapperswil-Jona.
22. Mai bis 31. Juli 2022.
www.kunstzeughaus.ch

Zu beiden Ausstellungen erscheint ein Katalog: Ursula Palla – White Out, Verlag für moderne Kunst, Wien 2022, 172 S., 38 Euro / ca. 39 Franken

Ursula Palla: und nichts als dies.
Johanneskirche, Limmatstr. 112, Zürich.
Bis 1. Juli 2022.

Ursula Palla, Tausend 2, Part 2, 2014, courtesy the artist
Wilde Karde, Das Karamellzimmer, 2018, Courtesy the artist
Ursula Palla, Wilde Karde, 2019, Courtesy the artist

Hätte das Werk von Ursula Palla (*1962) ein Totem im Pflanzenreich, es wäre eine Karde. Ein bisschen widerborstig, gut gegen manche Krankheiten, verbreitet sich, indem sie sich festsetzt, von eigenwilliger Schönheit. Wenn Ursula Palla in diesem Frühjahr außerordentlich beschäftigt ist, hat dies mit ihren Ausstellungen in Chur und Rapperswil zu tun, aber auch mit Karden. Eine der Disteln, die zwischen acht und zehn Meter hoch sind, steht bereits im Atrium des Polizei- und Justizzentrums in Zürich. Vor zwei Jahren gewann sie mit ihrem Entwurf „Listen to the Flowers“ den Kunst-am-Bau-Wettbewerb. Die Legierung der Skulpturen besteht zum Teil aus eingeschmolzenen Waffen. Einmal im Jahr veranstaltet die Zürcher Kantonspolizei einen Aktionstag, an dem freiwillig Waffen abgegeben werden können, um sie zu vernichten. Für Ursula Palla sind die Disteln auch eine Mahnung an die Polizei, das Vertrauen der Bevölkerung nicht zu enttäuschen. Und ein bisschen stachelige Wildheit braucht jede Gesellschaft, ist Palla überzeugt. Vielen von Pallas Arbeiten liegen Kreisläufe zugrunde, deren Logik außer Kraft gesetzt wird. Ihre Videoprojektion für das Zürcher Fraumünster im letzten Jahr ging von der Verleihung des Markt-, Zoll- und Münzrechts an das damalige Frauenkloster durch Heinrich III. im 11. Jahrhundert aus. Sie legte den Grundstein für den Finanzplatz Zürich. Pallas zerplatzende Seifenblasen können für die sich zerschlagende Träume vom großen Geld am Aktienmarkt stehen. Für eine Bodenarbeit hat sie ungültige Münzen zu fladenartigen Metallobjekten eingeschmolzen, auf denen man laufen konnte. Das Metall, das durch die Prägung eine Wertsteigerung erfahren hatte, war nun einfach nur wieder Metall. Palla entwirft Gegenbilder zu einer Gesellschaft, die auf Spekulation baut als sei es fester Grund.

Sie verwandelt Zucker in Karamell, um daraus Möbel und Kristallleuchter zu gießen, um sie an Orten zu zeigen, aus denen viele emigrierten, um in Italien Zuckerbäcker zu werden, während andere dort durch die Ausbeutung in Übersee zu Geld kamen („Karamellzimmer“). Oder sie koppelte im Museum Langmatt Videoarbeiten an die sich über den Tag verändernden Lichtverhältnisse, weil deren ehemalige Besitzer durch die Elektrifizierung reich wurden und ausgerechnet die Werke der Impressionisten sammelten, die bei natürlichem Licht malten („Sunflowers“). Man könnte sich darüber wundern, dass Ursula Pallas Kunst trotzdem nicht vor den Kopf stößt. Da ist einerseits ihre verbindliche Beharrlichkeit, mit der sie über die Jahrzehnte hinweg ein beeindruckendes Werk geschaffen hat, und da ist andererseits das Eingeständnis, dass wir immer noch davon profitieren, dass adelige Klosterdamen im Mittelalter mit Privilegien ausgestattet oder Menschen versklavt wurden. Mehr noch spricht Ursula Palla eine Sehnsucht nach Natur an. Auch dann, wenn sie jene Pflanzen in Bronze gießt, die in Monets Garten im Winter wachsen, die Touristen aber nicht zu Gesicht bekommen: Karden und andere Wildkräuter. Palla hat sie kartiert und in Bronze gegossen, um ihre Widerstandskraft zu zeigen („Empty garden“).

Insgeheim gibt es eine Hoffnung, man könnte all die verirrten Tauben und domestizierten Vögel befreien oder stoppen, dass Schnittblumen eingefärbt werden. Wenn man es nur wirklich wollte. Palla spielt mit dieser Grenze, die bei ihr oft durch die Anschlussstelle von zwei Materialien markiert wird. Das Video spiegelt die Illusion wider, während das Objekt sich materialisiert. Schaut man genau hin, beginnt ein Prozess der Desillusionierung. Pallas Kunst besteht oft darin, konsequent das Gegenteil von dem, was erwartbar gewesen wäre, zu machen.