Fabio Sonego

Fabio Sonego, Treasure Map Extended, 2021, Installationsansicht Regionale 22, Kunsthalle Basel, Foto: Philipp Hänger, Kunsthalle Basel
Porträt
23. Dezember 2021
Text: Annette Hoffmann

Von möglichen Welten. Regionale 22.
Kunsthalle Basel, Steinenberg 7, Basel.
Dienstag bis Freitag 11.00 bis 18.00 Uhr, Donnerstag 11.30 bis 20.30 Uhr, Samstag bis Sonntag 11.00 bis 17.00 Uhr.
Bis 2. Januar 2022.
www.kunsthallebasel.ch
www.fabiosonego.ch

Fabio Sonego, Born to serve, Installationsansicht I-Hood, Kunsthausbaselland, 2019, Foto: Fabio Sonego
Fabio Sonego, You don`t know the meaning of the word neighbour, 2021, Performance, Foto: Georg Faulhaber

Die Eingangstür am Basler Steinenberg 7 ist die Diva unter allen Schwellen zur Kunst. Reicht ein sanfter Impuls, um den Bewegungsmelder auszulösen, oder fällt man doch wieder mit der Tür ins Haus? Derzeit jedenfalls möchte man lieber eine Weile vor der Kunsthalle und dem Schweizerischen Architekturmuseum stehen bleiben. Denn auf beiden Glasscheiben hat Fabio Sonego als Beitrag zur diesjährigen Regionale mit weißer Kreidefarbe „Treasure Map Extended“ gezeichnet. Der Künstler, der am Institut Kunst seinen Master macht und jüngst mit dem Förderpreis der Basler Christina Spoeri-Stiftung bedacht wurde, legt mitunter wirkliche Spuren – hier wüsste man weder, was man sucht, noch wo. Auf dem rechten Feld der Tür wird eine Rakete gezündet, irgendwo ist eine Leiter umgestürzt und ganz oben schwebt ein Heißluftballon wie aus einem anderen Zeitalter der Luftfahrt. Und links hat Sonego einen Computer gezeichnet, eine Schlange, ein Haus und alles mit einem sardonischen Gelächter bedacht: HAHAHA. Sonego lacht ganz gern bei seinen Arbeiten, es wirkt durch die Versalien umso lauter.

Der 1988 in Winterthur geborene Fabio Sonego ist ein Geschichtenerzähler, der keinem roten Faden folgt. Alles scheint gleichzeitig zu passieren, Hierarchien gibt es nicht. Als nach einem längeren Hin und Her der Erhalt der Basler Mattenstraße 74/76 gesichert war, lud Fabio Sonego im letzten Sommer zu einem kleinen Haustheater in den gut besuchten Hinterhof ein. An der Fassade war ein Banner heruntergelassen, auf dem „You don’t know the meaning of the word neighbour“ zu lesen war. Für die Hausbewohner wird es nicht gegolten haben, wer gemeinsam gegen einen Abriss kämpft, lernt sich kennen. Die Mattenstraße liegt außerhalb des Zentrums, der Badische Bahnhof ist nicht weit, das ehemalige Erlenmattgelände heute eine teure Wohngegend. Durch den Toreingang sieht man den Bus vorbeifahren, manchmal kreuzen sich die beiden Linien direkt vor dem Haus. Der Basler Künstler machte aus jedem Balkon eine kleine Bühne, hier lief ein Video, ganz oben ließ jemand zwei Luftballons steigen und holte sie wieder ein, Musik war zu hören, Rauch kam von einem Stockwerk. Es dämmerte, es wurde Nacht. Das ganze Haus fungierte als Theaterstück, das suggerierte, alles könnte simultan passieren wie bei einem der Panoramaromane des 19. Jahrhunderts, dessen Autoren auf die Dynamik der Städte reagierten. Und zugleich erzeugten die kurzen Performances ein All-Over wie auf einer Leinwand. Gegen Ende überdeckte ein zweites Leintuch das erste: HAHAHA stand da zu lesen wie aus Freude über den Sieg über die Investoren oder weil alles so komödiantisch ist.

Wenn ein Ort da ist, kommen auch die Geschichten. 2017 baute Fabio Sonego auf den Campus des Instituts Kunst der FHNW ein schlichtes Haus als Querschnitt aller möglichen Bautypen. Es war unautorisiert und musste wieder weichen. Inmitten einer hoch gentrifizierten Lage diente es für eine befris­tete Zeit dem Austausch, dem Zusammenkommen, dem Essen und Reden. Meist haben seine Erzählungen einen performativen Rahmen. Oft arbeitet Fabio Sonego mit geradezu archetypischen Motiven wie Häusern, Schlangen oder Leitern. Bei der Diplomausstellung „I-Hood“ im Kunsthaus Baselland 2019 zeigte er die Arbeit „Born to serve“: ein Stück Mauer, auf die eine Trauerrede gehalten wurde und aus der unzählige bunte Leitern herausbrachen. Zu klein, um die Mauer zu überwinden – um die man ja auch laufen konnte – aber jedenfalls ein gutes Zeichen.