Jahresgaben und Editionen in Kunstvereinen: Abbild von Beziehungen

Friedrich Barth, Marabu, 1904, Courtesy Badischer Kunstverein, Karlsruhe
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17. Dezember 2021
Text: Redaktion

Weitere Informationen unter www.kunstvereine.de/de/jahresgabe

Rosa-Violetta Grötsch, Schale und Saat, 2020, Courtesy the artist & Heidelberger Kunstverein
Christina Chirulescu, o.T., 2019, Courtesy the artist & Kunstverein Nürnberg
Kriz Olbricht, Bentō, 2020,Courtesy the artist & Kunstverein Freiburg

Manche Häuser drucken ein ganzes Booklet und machen aus den Jahresgaben ein Event. Beim Kunstverein München etwa, der 1823 gegründet wurde und so über eine besonders lange Tradition verfügt, ist die Präsentation der Jahresgaben ein gesellschaftliches Ritual. Im letzten Jahr musste man auf das Internet ausweichen, doch 2021 konnte man Arbeiten etwa von Olaf Nicolai, Susi Gelb oder Martin Fengel besichtigen. In der zweiten Dezemberwoche ist dann schon wieder alles vorbei. Doch woanders geht es weiter. In Deutschland sind die Jahresgaben nicht nur ausgesprochen beliebt, sie bilden auch ein Verhältnis ab, das auf Gegenseitigkeit beruht. Künstlerinnen und Künstler, die in der letzten Zeit ausgestellt haben, spenden eine Arbeit und der Verein bietet sie im Gegenzug seinen Mitgliedern für Preise an, die unter denen des Marktes liegen. Manche Institutionen geben ein Teil an die Kunstschaffenden zurück, doch überhaupt fließen die Einnahmen ja in die programmatische Arbeit der Kunstvereine zurück. Und da meist ausschließlich Mitglieder in den Genuss der Aktion – oder zumindest der günstigen Preise – kommen, sind die Jahresgaben auch ein charmantes Mittel der Mitgliederanwerbung.

Der Badische Kunstverein veranstaltete 2019 anlässlich seines 200-jährigen Bestehens eine Ausstellung mit jenen Jahresgaben, die bislang noch keine Käufer gefunden hatten. Eine Radierung aus dem Jahr 1904 von Friedrich Barth war darunter, zu aktuellen Arbeiten zählen solche von Judith Hopf und Timm Rautert. Man konnte an den Jahresgaben die Geschichte des Badischen Kunstvereins ablesen und mit ihr die Bedeutung, die die Institution für ein sich wandelndes Publikum hat. Die Ausstellung war so etwas wie das Gedächtnis des Vereins, denn in Jahresgaben zeigen sich das Netzwerk eines Hauses und sein Profil auf. Der Nürnberger Kunstverein konnte Christina Chirulescu und Steven Emmanuel, die dort ausgestellt haben, gewinnen, Arbeiten zu spenden. In Freiburg wiederum sind unter den Jahresgaben Arbeiten von Stephan Janitzky, Susanne M. Winterling und Kriz Olbricht.

Und manchmal gleichen die Angebote Wundertüten. Der Ulmer Kunstverein etwa verkauft eine Farbserigraphie von William Kentridge. In der Schweiz sind es meist Editionen, die in den Häusern erworben werden können. Vor allem die Kunsthallen, wie in Basel und Bern, nutzen die Gelegenheit, die Bindung zu den Mitgliedern zu stärken und zusätzliche Einnahmen zu erzielen. Doch auch Museen steigern damit ihre Attraktivität für Besucher. Das Kunstmuseum Olten etwa hat im Eingangsbereich den Editionen einen eigenen Platz eingeräumt. Damit kann kein Shop konkurrieren.