Inter-: Fuge. Zwischen übermorgen und gestern: die Gestaltung des Dazwischen

Maryna Makarenko, Julian Westermann, Suit thing, cloth thing, head thing, Videostill, 2021, Courtesy the artists
Review > Ulm > Museum Ulm
30. Oktober 2021
Text: Florian L. Arnold

nextmuseum.io: INTER-: Fuge. Zwischen übermorgen und gestern.
Museum Ulm, Marktplatz 9, Ulm.
Dienstag bis Freitag 11.00 bis 17.00 Uhr, Samstag bis Sonntag 11.00 bis 18.00 Uhr.
Bis 7. November 2021.
www.museumulm.de

LYCS Kollektiv X Philipp C. Mayer (Rike Droescher & Sabrina Podemski), Performance, Chronocrawler, 2021, Courtesy the artist

Der ewige Dorn im Fleisch der Museumsmacher: man gilt als elitär, sogar altmodisch, vertritt Themen, die nicht unbedingt von Morgen sind. Ob gefühlte oder tatsächliche Herausforderung ‒ in der Ausstellung „Fuge. Zwischen übermorgen und gestern“ stellen neun junge Kreative des Netzwerks „Inter-“ Fragen an die Institution Museum. „Fuge“ lässt sowohl an eine Kompositionstechnik der Musik denken als auch an einen nicht unwichtigen Zwischenbereich des Festgefügten. Mit ortsspezifischen Arbeiten und Eingriffen in inhaltliche und architektonische Strukturen des Museums sollen – laut Ankündigung des Museum Ulm – neue Herangehensweisen der künstlerischen und kuratorischen Arbeit ins Museum geschmuggelt werden.

Dreh- und Angelpunkt des 2019 gegründeten Netzwerks „Inter-“ ist die Gestaltung des Dazwischen: Das partizipative Ausstellungsexponat. Betreten, berühren, mitmachen erwünscht. Etwa beim kollektiven Teppichweben, das Neele Marie Denker anbietet. Eine Menge Ideen, Theorien und Ansätze kommen zusammen bei „Inter-“; neben den Theoretikerinnen Paulina Seyfried und Anne Diestelkamp gehören die Designerin Neele Marie Denker sowie die bildenden Künstlerinnen und Künstler Oliver Arendt, Rike Droescher, Maryna Makarenko, Sabrina Podemski und Julian Westermann dazu. Sie wollen weg vom geschlossenen System Museum, das der Betrachter bestenfalls konsumieren, aber nichts verändern oder hinzufügen kann. Folgerichtig greift „Fuge“ vom Nukleus im zweiten Stockwerk aus in die alte Sammlung hinein, erobert Dachterrasse und Kiechelhaus. Gerade dort ahnt man am ehesten, wohin die Reise in die Ausstellungszukunft führen könnte, indem sich Bestand und Neues, Tradition und Gegenwart vermischen. Julian Westermann geht wirklich an die Substanz des Museums, indem er in historischem Umfeld aus alten Ausstellungswänden mit der Säge geschwungene Formen und reizvolle Durchblicke herausarbeitet.

Man könnte sich allerdings etwas mehr Wagemut, mehr Subversion vorstellen. Denn der partizipative Aspekt der Schau kommt bemerkenswert konservativ daher. Die putzige Lese-Ecke zum Ausleihen, Tauschen, Schmökern oder die Sitzecke mit Tablets und Kopfhörern zum Studium gegenwärtiger (Kunst)manifeste erinnert eher an Stadtbücherei denn „Museum von Morgen“. Anders Oliver Arendts „Ulmer Dach“. Wo der Künstler auf ein modernes Flachdach sein „spitzes Dach“ setzt, ahnt man, wie viel Handwerk Kunst innewohnen muss. Der Weißensee-Absolvent eignete sich Zimmermannstechniken an, verwendete gebrauchtes Material. Formal gewitzt ist das Spiel mit den umgebenden Ulmer Spitzgiebeln als sichtbare Fuge zwischen Gestern und Morgen.