Iwan Baan: Momentum of Light / Daniela Keiser: London – Being in the Library.
Kunstmuseum Olten, Kirchgasse 8, Olten.
Dienstag bis Freitag 12.00 bis 17.00 Uhr, Samstag und Sonntag 10.00 bis 17.00 Uhr.
Bis 14. November 2021.
Daniela Keiser: London – Being in the Library, Park Books, Zürich 2021, 176 S., 29 Euro | ca. 36.90 Franken.
Iwan Baan: Momentum of Light, Lars Müller Publishers, Baden 2021, 180 S., 75 Euro | ca. 78 Franken.
„Menschen machen einen Ort aus“, hat Iwan Baan (*1975) einmal in einem Interview gesagt. Da war er noch der Architekturfotograf, der keine cleanen Ansichten von Gebäuden schuf, sondern das Leben zurück ins Bild holte. Die Aufnahmen, die in diesem Frühjahr auf einer gemeinsamen Reise mit dem Architekten Francis Kéré nach Burkina Faso entstanden, zeigen nun, wie das Leben die Bauweise formt und wie diese auf die extremen Klimaverhältnisse reagiert. In Tiébélé etwa hat er die berühmten Wandbemalungen nur am Rande festgehalten, dann, wenn ihn eigentlich interessierte, wie gekocht wird, wie Lebensmittel bevorratet werden. Jedes Detail erzählt, wie die Menschen hier ihr Leben organisieren, wie auf einem runden Absatz Getreide und Nüsse mit zwei Steinen gemahlen werden und das Mehl durch zwei Röhren nach unten rutscht. Man sieht die Spuren der Abnutzung, die den Lehm abgeschliffen haben. Es ist der Mensch, der diesen Ort macht. Und natürlich die Natur. Die niedrigen Eingänge lassen nur wenig Licht in die Häuser, die auch kaum Fenster haben. Die paar Bäume wiederum werden zu Sitzgelegenheiten und Treffpunkten der Dorfbewohner. Die originellen Waxprints von den Röcken der Frauen wirken dagegen geradezu verschwenderisch kleinteilig und bunt.
Baan hätte einen schlechteren Reisegefährten haben können als den Architekten Kéré, der in Berlin ein großes Büro leitet, in Burkina Faso aufgewachsen ist und hier Projekte wie Schulen verwirklicht auf der Grundlage der traditionellen Bauweise. „Momentum of Light“ heißt die Ausstellung des niederländischen Fotografen im Kunstmuseum Olten. In der zweiten Etage demonstriert er, dass man nur das Licht wegnehmen muss, um auf dessen Wege in den traditionellen Gebäuden in Burkina Faso aufmerksam zu machen. Während unten die Fotos auf Papier geprintet wurden, sind sie oben in Leuchtkästen in einem abgedunkelten Raum präsentiert. Da erhellt nachts ein Handydisplay das Gesicht eines älteren Mannes und lässt das Weiß des Auges und die Zähne eines Jungen aufblitzen, auf einem anderen Bild hat er einen Herd von oben fotografiert und führt vor, wie sich das Licht des Feuers ausbreitet. Das ist ein bisschen so als bewegte man sich nicht mehr im Museum. Andere Aufnahmen aus Ponni und Gando sowie Bobo-Dioulasso mit seiner großen Moschee vermitteln, wie sich die Dörfer in der Landschaft organisieren und wie sie zu Städten anwuchsen.
Es ist kein Zufall, dass das Kunstmuseum Olten mit Baan und mit Daniela Keisers Soloshow „London – Beeing in the Library“ gleich zwei Ausstellungen zeigt, die sich mit Aspekten der Architektur befassen. Das Museum selbst hat viel vor, für einige Wochen war im Dachgeschoss das Ergebnis des Architekturwettbewerbs für den Museumsbau zu besichtigen. Daniela Keiser (*1963) hält ein Plädoyer für öffentliche Gebäude, sie entdeckte während eines Stipendienaufenthalts in London die lokale Bücherei Idea Store als zweite Heimat und als soziale Anlaufstelle des East Ends. 152 Fotos hat Keiser gemacht, die zwar nicht das Gebäude von David Adjaye zeigen, aber das Markttreiben in der Nachbarschaft, gesehen aus der Bücherei, die Dachkonstruktion und die Bank an der Straßenecke. In Olten ist nun eine Auswahl dieser Farbaufnahmen zu sehen, zusammen mit den Arbeiten „Cyanogarten“ und „Happy Birthday“, mit denen sie demonstriert, dass das einzelne Bild zum großen Ganzen seinen Beitrag leistet. Für „Happy Birthday“ hat Keiser einen Schnappschuss einer Geburtstagsparty als Heliogravüre in verschiedensten Rottönen abgezogen. Je nach Farbe treten aus der merkwürdigen Ansammlung von gefalteten, gesmokten oder wild gemusterten Oberflächen mal ein Tischtuch, dann die Verkleidung eines Servierwagens oder eben der Teppich hervor. Was für ein Überfluss, der sich hier dokumentiert. In Olten lassen sich derzeit in einer detaillierten und stimmigen Gesamtschau Menschen und ihr Habitat erleben.