Zuzanna Czetabul, The Happy Deppy Ecstasy Institute: Brennender Boden

Zuzanna Czebatul, Columns of Empire I – IV, Detail, 2021, Energy Circlusion, 2021, Ausstellungsansichten Kunstpalais Erlangen, 2021, Courtesy the artist, Fotos: Ludger Paffrath
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25. August 2021
Text: Nora Gantert

Zuzanna Czebatul: The Happy Deppy Ecstasy Institute.
Kunstpalais Erlangen, Marktplatz 1, Erlangen.
Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr, Mittwoch 10.00 bis 20.00 Uhr.
Bis 14. November 2021.
www.kunstpalais.de

Zuzanna Czebatul, Revelation AD, 2021, Ausstellungsansichten Kunstpalais Erlangen, 2021, Courtesy the artist, Fotos: Ludger Paffrath
Zuzanna Czebatul, Probably a Robbery, 2021, Time Cloud I – V, 2021, Godspeed (Start) & Godspeed (Stop), 2021, Ausstellungsansichten Kunstpalais Erlangen, 2021, Courtesy the artist, Fotos: Ludger Paffrath

Zu Beginn zeigt die Ausstellung ein für die Künstlerin eher ungewöhnliches Genre und doch setzt Zuzanna Czebatul (*1986) mit dem Video „Economic Ejaculation“ (2021) den politischen Grundton für ihre Ausstellung. Wir sehen Hände, die mit ruhigen Bewegungen Feldrationen für Soldaten auspacken. Zart werden die eingeschweißten Lebensmittel gestreichelt, bewegt und geöffnet. Diese Art von Videos trenden aktuell unter dem Stichwort ASMR in den sozialen Medien und sollen den Betrachter*innen beim Entspannen und Einschlafen helfen. Hier jedoch jagt das Knistern einem einen Schauer über den Rücken, sind doch die Objekte eigentlich für einen ganz anderen Zweck gedacht und so schwirren die Gedanken zu den zahlreichen Kriegsschauplätzen der Welt, an denen diese Rationen sicherlich nicht zur Entspannung entpackt werden.

Diese Arbeitsweise, aktuelle, politisch aufgeladene Themen hintergründig zu verarbeiten, zieht sich als roter Faden durch alle ausgestellten Arbeiten. Fünf große Gemälde zeigen das Cover des „Time“-Magazins zu den Protesten in Hongkong im Jahr 2019. Ein Straßenkämpfer in voller Montur steht im Dunst der Tränengasschwaden. Czebatul hat diese BIlder nicht selbst gemalt, sondern in einer der großen Werkstätten in China in Auftrag gegeben, wo verschiedene Arbeiter*innen mit der Anfertigung betraut waren. Das Delegieren des Malprozesses ist Teil des Konzeptes. So zeigen auch die fast identischen Bilder kleine persönliche Interpretationen und Abweichungen in Farbe und Form. Gleichzeitig hat die Künstlerin ein politisch hochbrisantes Bild zurück nach China geschleust.

Das Aufzeigen von Machtgefügen und versteckten Hierarchien, die unsere Welt und Politik bestimmen, werden in vielen der konzeptuell komplexen Werke thematisiert. Die „Columns of Empire“ (2021) wirken wie vier große schwarze Wächter, wuchtig hängen sie an Ketten von der Decke, schwanken leicht. Es könnten auch Boxsäcke sein oder Kokons für noch nicht fertig ausgewachsene Kampfroboter. Hergestellt sind sie aus Knie- und Ellenbogenschützern, Brustpanzern und Handgelenkschonern. Der militärische Charakter ist so deutlich zu spüren, dass sich Bilder zu Polizeigewalt aufdrängen.

Nebenan bahnt sich eine Pipeline, groß und militärisch dunkelgrün, einen Weg durch den Ausstellungsraum. Nicht erst der Titel „Energy Circlusion“ (2021) ruft eine ganze Reihe von Assoziationen hervor – die Klimakrise, erneuerbare Energien, fossile Rohstoffe, Kriege um natürliche Ressourcen oder diplomatische Verwicklungen um Großprojekte wie besagte Pipeline. Bemerkenswert politisch ist Czebatuls skulpturaler Zugang auch im Kontext gesellschaftlicher Diskkussionen wie etwa in England, als vor gut einem Jahr zahlreiche historische Monumente von ihren Sockeln gehoben wurden. „Probably a Robbery“ (2021) nimmt ein Karyatidenpaar der Außenfassade des Louvre und versetzt es in den Ausstellungsraum in Erlangen. Die Skulptur zielt auf die andauernde Restitutionsdebatte in Europa ab und wird im Kontext der Ausstellung zur Institutionskritik.

Die ästhetische Klammer der Ausstellung bildet der orangerote Teppich, der in allen Räumen ausgelegt ist. Als im Jahr 2020 in Australien die Wälder brannten, markierte ein Internetnutzer den Farbton des von den Flammen erhellten Himmels und erhob ihn zur Pantonefarbe des Jahres. Über genau diesen Farbton gehen wir nun als Besucher*innen der Ausstellung. Vor uns, hinter uns und auch unter uns sehen wir ihn als Widerschein der tagesaktuellen Politik und ihrer Folgen. Auch jeder einzelnen Skulptur Czebatuls ließen sich unzählige Zeitungstexte, Radiobeiträge, Videos und Bilder zur Seite stellen. Sie werfen feine Tentakeln aus und lassen spüren, dass kein Ereignis abgeschlossen für sich geschieht, sondern in ein komplexes Netz aus Ursache und Wirkung eingebunden ist, in dem es keine Schuldlosen mehr geben kann. Sollten Zuzanna Czebatuls Skulpturen in ferner Zukunft einmal Gegenstand einer archäologischen Ausgrabung sein,  bräuchten die Forschenden jedenfalls ein tiefes Hintergrundwissen, um die Ikonografie unserer Zeit zu entschlüsseln.