Pamela Rosenkranz: Hautfarben und Brandgerüche

Pamela Rosenkranz, House of Meme, 2021, Ausstellungsansichten Kunsthaus Bregenz, Fotos: Markus Tretter
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16. Juni 2021
Text: Christian Gampert

Pamela Rosenkranz: House of Meme.
Kunsthaus Bregenz, Karl-Tizian-Platz, Bregenz.
Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr, Donnerstag 10.00 bis 20.00 Uhr.
Bis 4. Juli 2021.
Kunsthaus Bregenz

Pamela Rosenkranz, House of Meme, 2021, Ausstellungsansichten Kunsthaus Bregenz, Fotos: Markus Tretter

Pamela Rosenkranz (*1979) machte schon früh durch einen wahrnehmungsorientierten Ansatz auf sich aufmerksam. In ihren Arbeiten setzt sie Licht, hormon-aktives Plastik, Polymere oder auch Geruchs-Stoffe ein. Neurowissenschaft ist bei ihr ebenso präsent wie Kunstgeschichte, tierische Roboter ebenso wie der Einfluss von Strahlung und Viren auf den Menschen. Immer geht es darum, wie wir auf eine immer komplexer werdende Umwelt reagieren. In ihrer aktuellen Ausstellung will sie Menschen „wie Membranen“ betrachten.

Als Pamela Rosenkranz 2015 den Schweizer Pavillon bei der Biennale in Venedig bespielen durfte, füllte sie den gesamten großen Saal mit hautfarbener flüssiger Paste. Ein weiterer, nach außen offener Raum war mintgrün gestrichen und mit grellgrünen LED-Leuchten versehen. Das eine sollte auf die Haut-Tönung eines durchschnittlichen Mitteleuropäers (und damit verbundene Abgrenzungen zu anderen Ethnien) aufmerksam machen. Das zweite, der grüne Raum, beschwor die Nähe zur Natur. Ein Teil des Publikums fand das damals ungeheuer eindrucksvoll, andere spürten da mehr den konzeptuellen Zeigefinger. Auch im Kunsthaus Bregenz hat man gleich zu Beginn den Eindruck, dass hier wieder mal ganz viel gedacht werden soll. Das muss kein Nachteil sein – aber so richtig schön kann man die 224 minimalistischen Verpackungsschachteln mit Amazon-Logo nicht finden, die da als skulpturales Statement mitten im Raum stehen. Zumal die Kisten gar nicht von Amazon stammen, sondern extra hergestellt sind.

Es sind also keine Ready-Mades, sondern etwas anderes, Artifizielles, das auf die miserablen Arbeitsbedingungen bei der Firma verweisen soll. Das von Rosenkranz verwendete schlangenartige Logo spielt auf den mäandernden Amazonas an, der offenbar Vorbild für die Geschäftsstruktur des Unternehmens ist. Andererseits treffen wir im letzten Saal der Ausstellung tatsächlich auf eine Schlange, die sich aber als computergesteuerter Kunst-Roboter in Gestalt eines Reptils erweist. Eine aufwendige Spielerei – ein Wesen mit einer Plastikhaut, von einem Motor angetrieben, das auf zuckendes LED-Licht und im Raum rauschende Sounds reagiert.

„House of Meme“ heißt die Schau. Das bezieht sich einerseits auf das von dem Evolutionsbiologen Richard Dawkins so genannte „Mem“, das im Gegensatz zum Gen keine Erbinformationen weitergibt, sondern Bewusstseinsinhalte. Es bezieht sich aber auch auf die im Internet viral gehenden „Memes“, Bild-Text-Kombinationen, Selbstdarstellungen, Videos. Ein Teil unserer Wahrnehmung ist durch solche Internet-Inhalte geprägt, und so übernimmt Rosenkranz auch „Stock Images“ aus dem Netz, die man oft lizenzfrei herunterladen kann. Diese vergrößerten Bilder ziehen sich als Strukturelemente durch die gesamte Ausstellung: dunstige Darstellungen des gefährdeten Urwalds oder böse blickende Augen, die von Rosenkranz zusätzlich verfremdet werden. Die hautfarbene oder pinke Soße, die sich in die Fotos schleicht oder auf weiße oder spiegelnde Bildträger aufgebracht wird, erzeugt aber nur einen sehr schalen Irritationseffekt. Sie soll wieder auf die menschliche Haut verweisen – ebenso wie die Plastikbahnen, die sich überall im Kunsthaus finden: einerseits als Mahnmal für die Verpackungsindustrie, andererseits eben als Außen-Haut der in der Pandemie gefährdeten Körper.

Das alles ist mäßig interessantes Kopf-Kino, schlau ausgedacht und weihevoll inszeniert – aber: so what? Man schlendert leicht gelangweilt dran vorbei. Einen einzigen Saal gibt es, in dem die Kunst zu sich selbst kommt. Im abgedunkelten, in leichten Nebel gehüllten dritten Stock hängen stilisierte, lanzettartige gotische Fenster als Farbflächen kopfüber vor der Betonwand. Sie werden in einem intensiven Yves-Klein-Blau von hinten angeleuchtet. In der Mitte des sakralen Raums ein flüssiger Stoff, eine ganz dezent verbrannt riechende farblose Lache. Eine Geruchs-Expertin hat das im Auftrag der Künstlerin hergestellt, ein Duft aus brennendem Leder, verbranntem Stein, verbranntem Holz. Der zerstörerische Brand der Pariser Kathedrale Nôtre-Dame wird hier minimalistisch re-inszeniert. Und wir sind mittendrin.