Vivian Greven

Vivian Greven, Ham II, 2020, courtesy the artist, Privatsammlung, Foto: Ivo Faber
Porträt
12. Mai 2021
Text: Jolanda Bozzetti

Vivian Greven: Apple.
Kunstpalais Erlangen, Marktplatz 1, Erlangen.
Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr, Mittwoch 10.00 bis 20.00 Uhr.
Bis 30. Mai 2021.
www.kunstpalais.de
Katalog im Verlag für moderne Kunst, Wien 2021, 128 S., 28 Euro.

Vivian Greven.
Museum Langmatt, Römerstr. 30, Baden.
Dienstag bis Freitag 14.00 bis 17.00 Uhr, Samstag Sonntag 11.00 bis 17.00 Uhr.
30. Mai bis 22. August 2021.
www.langmatt.ch

Vivian Greven, Qulla I, 2020, Courtesy the artist & Maximilian George Wagner

„Ich liebe Denken!“, lacht Vivian Greven, als sie beim digitalen Künstleringespräch eine lange Assoziationskette aufzählt. Vom Adamsapfel über den Sündenfall zu Schneewittchen und schließlich den Apfelschuss bei Wilhelm Tell landet sie unweigerlich bei der allgegenwärtigen Computermarke Apple. Die reiche Kulturgeschichte des Apfels reflektiert die Malerin in ihrer neuen Bilderserie, die für ihre aktuelle Ausstellung im Kunstpalais Erlangen entstanden ist. Ende des Monats eröffnet Greven, die seit kurzem an der Karlsruher Kunstakademie lehrt, in der schweizerischen Langmatt eine weitere museale Einzelausstellung.

Die 1985 in Bonn geborene Künstlerin, die heute an ihrem Studienort Düsseldorf wirkt, entwickelt ihre Arbeiten vom Kopf her, von der Sprache aus. Greven studierte nicht nur Malerei an der Düsseldorfer Kunstakademie, sondern auch English Studies in Wuppertal. Ihre Bilder entstehen meist in Serien, denen eine intensive inhaltliche Recherche vorausgeht. Aus einem Fundus an Texten, Gedichten und Bildern verschiedenster (kunst-)geschichtlicher Epochen entstehen prozesshaft eigene Gedichte, Zeichnungen und Gemälde. Immer sind es Bilder von Körpern, oder besser von Körperteilen, Ausschnitte eines größeren Ganzen, das als solches nie zu sehen ist. Vielfältige Anlehnungen an klassizistische Skulpturen oder Gemälde aus der Renaissance sind wiederkehrende Motive. Mit ihren Bildern scheint sie Skulpturen wie etwa Canovas „Amor und Psyche“ zu umkreisen, nimmt unterschiedliche Blickpunkte in den Fokus, zeigt immer wieder neue Detailansichten. Zentral in ihren Bildern ist das Thema des Kontakts, der Berührung. Eine kühle Sinnlichkeit und Erotik geht von diesen perfekt modulierten, sich streichelnden, umarmenden Körpern aus, denen das eigentlich Körperliche, Menschliche doch fehlt. Vielfach wirken sie wie Hüllen aus schimmerndem Porzellan, leere Gefäße, die über den Kontakt Lebendigkeit suchen aber nicht zu finden scheinen. Hier verschränken sich die historischen Vorbilder mit der visuellen Welt unserer Gegenwart, das antike, zeitlose Schönheitsideal der klassischen Skulpturen wird zu einem Streben nach Makellosigkeit, einer Feier perfekter Oberflächen, wie sie täglich auf Instagram inszeniert wird.

Den inhaltlichen Referenz- und Deutungsebenen der Gemälde entspricht eine physische Schichtung der Acryl- und Ölfarben, die mal dünn und matt, mal glänzend die Leinwand bedecken und an einigen Stellen als plastische, reliefartige Erhebungen hervortreten. Kleine Störelemente, die zugleich eine Verbindung von Bild- zu Betrachterraum herstellen. Die weichen, geschwungenen Linien der scharf gezogenen Körperkonturen münden oftmals in plane, abstrakt wirkende Partien, die zugleich die Zweidimensionalität des Bildes betonen.

Jedes Gemälde Grevens hat eine Grundfarbe, die sich im Spektrum warmer oder kalter Pastelltöne bewegt, die dann zu einem intensiven Lila, einem Pink oder einem leuchtenden, hellen Blau werden kann. Es ist die uns intuitiv vertraute Farbigkeit der LCD-Bildschirme, mit der Greven ihre Figuren gestaltet, ja, in der einige aus ihrem Inneren leuchten, als fließe nicht Blut, sondern buntes Licht durch ihre Körper. Und man fragt sich, was das eigentlich genau ist, heute, ein Körper.