Sophie Taeuber-Arp: Vom Glück des Entwerfens

Sophie Taeuber-Arp, Composition à cercles et demi-cercles, 1938 , Arp Museum Bahnhof Rolandseck, Remagen
Review > Basel > Kunstmuseum Basel
11. Mai 2021
Text: Isabel Zürcher

Sophie Taeuber-Arp: Gelebte Abstraktion.
Kunstmuseum Basel, St. Alban-Graben 16, Basel.
Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr, Donnerstag 10.00 bis 20.00 Uhr.
Bis 20. Juni 2021.
www.kunstmuseumbasel.ch
Katalog bei Hirmer, München 2021, 352 S., 58 Euro | ca. 74.90 Franken.

Sophie Taeuber-Arp, Hirsch (Marionette für König Hirsch),1918 (u.m.), Museum für Gestaltung, ZHdK, Kunstgewerbesammlung

Bei ihr lässt sich das Glück im Kleinen holen. Man kann mit ihren Farben reisen – in den Süden nicht zuletzt, aber auch vom Papier ins Textile und in leuchtendes Glas. Ihr entwerferisches Denken erblüht in Variationen, fädelt Erinnerungen an ferne Kulturen auf, schürt die Lust am Experiment und geht ins Bauen. Und wer nach allen Ausstellungen, die ihr in den letzten Jahren gewidmet worden sind, noch immer behaupten möchte, dass Sophie Taeuber ohne „Arp“ keine grosse Künstlerin sei, den belehrt das Kunstmuseum Basel jetzt eines Besseren. Aus ihrer alleinigen Hinterlassenschaft wird da ein Oeuvre lesbar, das nicht aufhören will, Neuland einzunehmen.

Wir fangen beim Kreuzstich an, bei Perlenstickerei, beim Entwurf eines Kissenbezugs oder einem textilen Buchumschlag, vorbereitet in warmem Farbton auf Papier. Schon im ersten Ausstellungssaal lernen wir eine Persönlichkeit kennen, deren grosse Sorgfalt auch in intimen Formaten unmittelbar Teil hat an der Formensprache der Moderne. Ihre Colliers, ein Armband, ein Perlbeutel führen es vor: An der renommierten Debschitz-Schule in München hat die junge Schweizerin nicht Blümchenstickerei erlernt, sondern führt Fäden und Glasperlen schon 1918 in Diagonalen und rechten Winkeln zueinander. Es ist, wie wenn das Objekt des Gebrauchs Sophie Taeuber-Arp den Weg ebnete, um ein Spiel mit elementaren Formen später auf Kostüm und Bühnenbild, auf Interieurs, Mobiliar und Architektur auszudehnen: Ihr am Kunsthandwerk geschultes Alphabet der Verhältnisse wird sich über Sprach- und Landesgrenzen hinaus Aufträge und die Anerkennung ihrer Zeitgenossen sichern.

Das Kunstmuseum Basel setzt viel daran, Taeuber-Arps erfinderische Vitalität nicht nur dem sachkundigen Publikum vorzuführen. Die Marionetten, die sie für das Bühnenstück „König Hirsch“ realisiert hatte, sind in Zusammenarbeit mit der Zürcher Hochschule der Künste zum Tanzen gebracht und gross an die Wand projiziert. Psychologie altert nicht: Es stapst der langbeinige Hirsch, es kreiselt Dr. Oedipus in seinem steifen Holzgewand, ein vielgliedriges Wesen kommt als kopflos technoide Zukunftsvision herangeflogen. Solches Schaffen für die Bühne kam der Künstlerin entgegen: Als pädagogisches Gesamtkunstwerk liessen sich am Marionettentheater exemplarisch alle Disziplinen der Gewerbeschule zusammenführen, wo die Künstlerin in Zürich ab 1916 lehrte. „Sophie Taeuber-Arp – Gelebte Abstraktion“ ist eine klassische Ausstellung. In frühen Jahren einsetzend, entrollt sie Taeuber-Arps Schaffen von der Schülerinnenarbeit bis zu Architekturentwürfen. Im bewegten Lebenslauf schenkt die verlässliche Chronologie Ruhe für jedes einzelne Blatt. Textilien und Studien auf Papier verlangen den nahen Blick bei gedimmtem Licht. Um das kleinteilige Feuerwerk von Taeuber-Arps Schaffen in den vergleichsweise mächtigen Raumvolumen des Erweiterungsbaus nicht zu ersticken, bricht ein schwarzer Bodenbelag die rechtwinkligen Grundrisse, und eine wandhohe Fotografie öffnet die fensterlosen Säle: Sophie Taeuber-Arp 1925 – sie ist 36 – im selbst geschneiderten Kostüm, an der Sonne Asconas; 1927 im Planungsbüro für die „Aubette“; ein grosszügiger Blick in jenes Strassburger Interieur und in den Oberlichtsaal der Basler Kunsthalle, wo sie 1937 an der Ausstellung „Konstruktivisten“ beteiligt war.

Aus Werkdokumentation, aus ihrem schriftlichen und fotografischen Erbe lässt das Kunstmuseum im letzten Raum die Künstlerin selbst zu Wort kommen. Da erzählt sie, wie sie im Traum das Wort „heureuse“ neben sich in den Sand geschrieben habe. Während die Buchstaben aushärten, nimmt sie ein grollendes Geräusch wahr, blickt auf und sieht einen Felsblock auf sich stürzen. „Wenn er mich zerschmettern würde“, merkt sie schnell, „bliebe nur das Wort ‚glücklich‘ von mir übrig.“ Sophie Taeber-Arp ist bekanntlich zu früh und plötzlich verstorben. Etwas von ihrem Glück aber bleibt bis Ende Juni in Basel versammelt und im Katalog detailreich vertieft.